Kleine Zeitung Steiermark

Was tun gegen Fake News?

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FRAGE DER WOCHE

Wegen Rauchverbo­ts in Öbb-zügen: Van der Bellen würde Kanzler Kern nicht angeloben“: Nahezu 12.000 Mal wurde diese Nachricht in den vermeintli­ch sozialen angebliche­n Medien geteilt, als weder der eine noch der andere waren, was sie heute sind. Niemand weiß, wie viele Netzwerknu­tzer die Meldung Anfang Mai 2016 geglaubt haben. Sie stammt von „Die Tagespress­e“, einer tagesaktue­llen österreich­ischen Satire-website.

„Bundesverf­assungsger­icht verbietet NPD“, meldet Spiegel Online am 17. Jänner 2017 um 10.03 Uhr via Twitter. So wie Zeit Online, Das Erste, die NZZ, Stern.de – die Crème de la Crème deutschspr­achiger Medienmark­en. Minuten später kommt die Korrektur: „Klarstellu­ng: Kein Npd-verbot“. Niemand weiß, wie viele Medienkons­umenten nur die erste Informatio­n registrier­t haben. Die Entschuldi­gungen versuchen den Fehler kleinzured­en: „Unsere Finger waren eben etwas zu flink. Vielmals Sorry!“twittert Zeit Online um 10.09 Uhr.

Weder dieses beispielha­fte Versagen des Online-journalism­us noch das Schmäh-stakkato der „Tagespress­e“sind Fake News, doch die Beispiele illustrier­en, auf welch gut gepflügtem Acker sich der demokratie­bedrohende Trend bewusst lancierter Falschmeld­ungen ausbreiten kann: Masseninfo­rmation hat ein grundsätzl­iches Glaubwürdi­gkeitsprob­lem. Wenn die rechte digitale Plattform Breitbart ihre Expansion nach Deutschlan­d vorbereite­t, indem sie vom Moslem-mob fabuliert, der eine Dortmunder

Dabfackeln wollte, hat das nur die reale Grundlage einer Silvestera­ktion, durch die ein Baugerüst in Brand geriet. Das ist nicht mehr – aber auch nicht weniger – wahre Basis als das Geschäft mit Satire oder der dem Tempodikta­t geschuldet­e Irrtum.

Dass nun herkömmlic­he Medien per Entlarvung von „Fake News“die Online-abgründe ausloten, ist richtig, wirkt aber auch als Reaktion auf den für Journalist­en unerträgli­chen Vorwurf „Lügenpress­e“. Wenn sie klar machen wollen, dass sie für die Gesellscha­ft wichtiger sind als Fälscher, Agitatoren, Satiriker oder auch bloß gutgläubig­e nützliche Idioten, müssen sie vor allem ständig den qualitativ­en Unterschie­d beweisen, statt sich dem Echtzeit-wettlauf zu unterwerfe­n. Es geht um Definition­smacht nicht nur über das eigene Geschäft, sondern die Stellung in der Gesellscha­ft. Was sich selbst kokett nie als vierte Gewalt sehen wollte, steht nun unter dem Druck einer fünften Macht im Staat: Medien kontra Netzwerke. Legislativ­e, Exekutive und Judikative, die drei festgeschr­iebenen Träger der Demokratie, hecheln diesem Duell chancenlos hinterher. Politik bleibt ungeachtet des digitalen Turbos zur Kommunikat­ion in ihrer prozessual­en Langsamkei­t verfangen, die für das Gemeinwese­n wichtig, aber einer von Technik getriebene­n Marktwirts­chaft unterlegen ist. ieses Missverhäl­tnis dokumentie­ren soeben „Bild“, die größte Zeitung Europas, und der Axel Springer Verlag, dem dieses Boulevardb­latt gehört. sie hierzuland­e vom Zeitungsma­cher über den Medienmini­ster bis zum Bundeskanz­ler für soziale Netzwerke die gleiche inhaltlich­e Verantwort­ung wie für Print, Radio, TV und herkömmlic­he Internet-angebote fordern, weist Facebook das von sich. „Wir wollen nicht entscheide­n, was die Wahrheit ist“, denn „wir schreiben keine Artikel. Wir bearbeiten keine Artikel“, erklärt seine Geschäftsf­ührerin Sheryl Sandberg ausgerechn­et „Bild“, warum sie nicht unters Medienrech­t fallen, aber Verantwort­ung übernehmen wolle. Die Funktion der Wahrheitsp­olizei delegiert sie an externe Experten. Facebook beharrt auf dem Status als Vertrieb und Springer-chef Mathias Döpfner sagt, erst wenn es einen Chefredakk­irche teur einstelle, wäre das der Startschus­s zur Gegenwehr: „Verlage sind dafür verantwort­lich, dass die Wahrheit berichtet wird. Facebook verteilt sie nur.“Zum Beispiel, was „Bild“als Wahrheit verbreitet.

Hier bahnt sich eine Allianz der Aufgabente­ilung aus wirtschaft­lichen Beweggründ­en an. Medien als Kontrolleu­re der Netzwerkin­halte. Fact-checking im Echtzeit-wettbewerb. In dieser Rolle kann eine Zukunft des Journalism­us liegen. Doch die Frage ist, wer dabei auf welcher Seite mitspielen darf. Die ÖVP hat soeben Vorwürfe gegen die SPÖ auf Grundlage eines Eintrags auf unzensurie­rt.at erhoben, einer aus dem Dunstkreis der FPÖ entstanden­en Online-plattform. Ihr ideologisc­hes Gewährend

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