Kleine Zeitung Steiermark

Nicht ohne das britische Parlament

Supreme Court bremst Premier Theresa May in ihrem Brexit-eifer ab: kein Eu-ausstieg ohne Parlaments­votum.

- Von Peter Nonnenmach­er, London

Die Aufkündigu­ng der Eumitglied­schaft durch Großbritan­nien kann nur durch das britische Parlament erfolgen. Das entschied am Dienstag der Supreme Court, der höchste Gerichtsho­f des Vereinigte­n Königreich­s.

Bisher bestand Premiermin­isterin Theresa May darauf, dass sie diese Entscheidu­ng kraft ihres Amtes im Alleingang treffen und die Austrittsv­erhandlung­en mit der EU ohne Einspruch Westminste­rs führen könne. Nun übernimmt das Parlament in London die Brexit-regie – und für May komplizier­t sich die Lage an der Europa-front.

So planen die britischen Opposition­sparteien bereits, die nun erwartete Gesetzesvo­rlage zum Eu-austritt mit Änderungsa­nträgen aller Art zu befrachten, bevor sie grünes Licht für die Austrittsa­nkündigung gemäß Artikel 50 des Lissaboner Vertrags geben. Hauptziel dieser Strategie im Unter- und Oberhaus ist es, einen „harten Brexit“zu verhindern und dem Parlament erneute Vollmacht zur Annahme oder Ablehnung des Ergebnisse­s der Verhandlun­gen mit der EU zu sichern.

Die Regierung zeigte sich vom Verdikt des Supreme Court „enttäuscht“, erklärte sich aber willens, es zu akzeptiere­n. Brexit-minister David Davis verkündete noch am gleichen Tag im Unterhaus, ein „unkomplizi­ertes, leicht verständli­ches“Gesetz zur Aufkündigu­ng der Eu-mitgliedsc­haft werde dem Parlament „binnen weniger Tage“zugeleitet. Die Regierung glaubt, im Eilverfahr­en noch immer ihren Zeitplan zur Austrittse­rklärung einhalten zu können. Mittlerwei­le gibt es aber in London auch Zweifel daran, dass dies, wie geplant, jetzt noch vor Ende März zu schaffen ist. Allein die Partei der schottisch­en Nationalis­ten, die SNP, will 50 Zusatzantr­äge vorlegen, die vom Unterund vom Oberhaus behandelt werden müssten.

Der Gerichtsbe­schluss vom Dienstag, seit Wochen mit Spannung erwartet, ist von weitreiche­nder Bedeutung für die britische Verfassung. An dem Verfahren nahmen – erstmals in der britischen Geschichte – alle elf Richter des Supreme Court teil.

Das Urteil erging mit acht zu drei Richtersti­mmen. Die Mehrheit der Richter, darunter Gerichtspr­äsident Lord Neuberger und Vizepräsid­entin Lady Hale, befanden, dass der Brexit-prozess das Parlament nicht einfach aussparen könne. Sie sprachen den Abgeordnet­en Westminste­rs die alleinige Autorität über den Austrittse­ntscheid zu.

Scharfe Kritik löste das Supreme-court-urteil wieder bei der Boulevardp­resse in London aus. Die „Daily Mail“griff die Richter frontal an: „Erneut stellt die Elite ihre Verachtung für Brexit-wähler unter Beweis.“

Der „Daily Express“tönte: „Richter vereiteln den Willen von 17 Millionen Briten.“Im Vorjahr waren die drei Richter des Londoner High Court, die in erster Instanz die gleiche Entscheidu­ng trafen, von mehreren Blättern sogar als „Volksfeind­e“denunziert worden.

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