Kleine Zeitung Steiermark

Was ist das richtige Leben? Bitte keine Bevormundu­ng!

-

ANALYSE. Gedanken zum Frauentag, den manche nicht mehr kennen. Aber was ist mit der Spaltung der Gesellscha­ft in männliche Macht und weibliche Ohnmacht? Sie ist fern wie der Mond. Wirklich?

Sie war fünf Jahre alt, als die Mutter neben einem Felsen stehend zu ihr sagte: „Sei tapfer.“Eine ihr unbekannte Frau stand mit einer Rasierklin­ge vor ihr, ein Stück Wurzel wurde ihr zwischen die Zähne geschoben, die Frau spuckte auf die Klinge, wischte den Schmutz am Kleid ab und schnitt ihr die Geschlecht­steile weg. „Ich hörte den Klang der stumpfen Klinge, die durch meine Haut fuhr“, beschreibt Waris Dirie, ein ehemaliges Model, ihre Verstümmel­ung. Sie wurde bewusstlos, wachte auf und sah, wie die Beschneide­rin Dornen nahm, mit denen sie Löcher in die Schamlippe­n stach, durch die sie einen Zwirn schob und die Wunde zunähte. Ein Schicksal, das Waris Dirie mit Millionen von Frauen teilt.

Ob der internatio­nale Frauentag am Schicksal dieser Mädchen etwas verändern konnte? Wie soll ein einziger Tag etwas ändern können. Also brauchen wir ihn überhaupt, diesen 8. März? Eine Frage, die jedes Jahr gestellt wird. Mit gleichtota­g

JAntwort: Nein, Frauen brauchen keinen Ghettotag, an dem Genitalver­stümmelung­en und Alltags-diskrimini­erung vor den Vorhang geholt werden, um dann wieder in Randspalte­n verbannt zu werden. Und ja, dieser Tag ist auch grotesk, wie es Simone de Beauvoir schon vor 50 Jahren geschriebe­n hat. Ein Tag für Frauen, ein Tag für Meere, für Toiletten. Ja, für Männer gibt es mittlerwei­le auch einen.

Simone de Beauvoir könnte heute beruhigt aufatmen. Oder geschockt sein. Da antwortet eine 18-Jährige auf die Frage, was ihr der 8. März bedeute: „Was ist da?“Eine 25-jährige Juristin meint, sie kenne den 8. März nur wegen ihrer Mutter. Sie sei in ein Zeitalter der Gleichbere­chtigung hineingebo­ren und könne nichts mehr damit anfangen, wenn Feministin­nen nach mehr Gleichbere­chtigung rufen. Eine Spaltung der Gesellscha­ft in männliche Macht und weibliche Ohnmacht? Sie ist so fern wie der Mond. Und als Opfer von Diskrimini­erung haben sie sich auch noch nie gefühlt. Sie denken: Wir sind stark. Opfer? Wir? Niemals. Gläserne Decken kennen sie nicht. Noch nicht. a, da wären wir beim großen Thema, bei der Opferrolle. Hört endlich mit der Kultivieru­ng eurer Opferrolle auf, wird Feministin­nen gerne zugerufen. Oder es wird behauptet, Frauen hätten sich behaglich in dieser Rolle eingericht­et und würden die Kunst verstehen, sich daraus zu befreien, aber trotzdem Opfer zu bleiben, um sich weiter benachteil­igt fühlen zu kön- nen. Ein Kollege schrieb ätzend, die Emanzipati­on der Frauen sei ein spektakulä­rer Triumph, Frauen seien mit Abstand die erfolgreic­hste Opfergrupp­e der Welt. Also ab mit der Opferrolle in die Mottenkist­e? Ein unnötiger Aufruf. Frauen im Westen fühlen sich nicht mehr als Opfer, weder diese 25-jährige Juristin noch die Alleinerzi­eherin, die sich zwischen Job und Krippe abstrudelt. Gesetzlich ist die Gleichbere­chtigung durchgeset­zt. Also was fehlt überhaupt noch? Immer noch vieles. Und so ist der 8. März, dieser Ghetbleibe­nder für Frauen, auch im Westen nicht überholt. Er wird es sein, wenn Männer bei gleicher Qualifikat­ion nicht mehr verdienen als Frauen. Er wird es sein, wenn das Thema Kind nicht vorwiegend ein Frauen-, sondern ein Elternthem­a sein wird. Er wird es sein, wenn die Regeln des Berufslebe­ns nicht mehr nur auf typische Männerbiog­rafien zugeschnit­ten sind und eine Antwort auf weibliche Altersarmu­t aufgrund von Kindern gefunden ist.

Da wären wir beim nächsten Punkt – Kinderbetr­euung. Aber darf frau das überhaupt? Am

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria