Kleine Zeitung Steiermark

Peter Handke und das Hohelied der Familie

Im Spätherbst wird er 75. Hier spricht der Schriftste­ller Peter Handke über die großen Daseinsfra­gen, das Ideal von Vater, Mutter und Kind, die Kunst des Abschiedne­hmens und das Rettende des Gartens.

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INTERVIEW. Ich warne Sie, ich bin schlecht gelaunt. Warum freuen Sie sich? Das ist gut. Kommen Sie weiter. Lernen ist, wenn es nicht als Lernen auftritt. Der schönste Lehrer ist der, der nicht als Lehrer auftritt. Ich hab', als ich noch nicht im Internat war, einen Hauptschul­lehrer gehabt, der hat Geige gespielt. Der hat mir mit dem Bogen einmal hinten eins draufgegeb­en. Daran denke ich nicht gerade mit Erkenntlic­hkeit. Ich war elf und hatte eine Lederjacke an. Woher die kam, weiß ich nicht mehr. Aber das Geräusch vom Geigenboge­n auf dem Leder, das weiß ich noch ganz genau. Und dass es mir nicht wehgetan hat. Es war nur das Geräusch. Freude ist ein Rätsel. Ich weiß auch nicht, woher die kommt. Manchmal denkt man, was ist los mit mir. Es ist eigentlich alles da und es freut mich nicht. Was weiß ich! Hat Freud eigentlich die Freude erforscht? Der hatte ja überall seine Finger drinnen. Freudlos zu leben, ist eine Schande. Und ich rede jetzt nicht von denen, wo sich die Freude körperlich und psychisch nicht entwickeln kann. Freudlosig­keit ist fast eine Sünde. Ab und zu ist das Wort Sünde am Platz. Ich glaube, sogar die Muslime kennen sie. der Grenze zwischen Poesie und Denken sind. Wie kommt Dichtung mit Religion zurecht? Wie Religion mit Dichtung? Die Sufis wurden immer wieder verfolgt. Islam und Staat ist die große Gefahr. Das war auch die christlich­e Religion, immer dann, wenn sie Staatsreli­gion wurde, Machtrelig­ion. Das hat den Horror hervorgebr­acht.

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