Kleine Zeitung Steiermark

Wahlen im Schatten des Terrors

Dass die Terroratta­cke auf der „schönsten Avenue der Welt“Auswirkung­en hat, steht außer Frage. Wie sehr sie Frankreich auf Jahre hinaus verändern wird, wird sich bei der morgigen Wahl zeigen.

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DANALYSE. ie Männer von der Stadtreini­gung haben ganze Arbeit geleistet. In den frühen Morgenstun­den sind sie vorgefahre­n, haben mit dem Hochdruckr­einiger die Blutspuren entfernt, die vor dem Haus mit der Nummer 102 zurückgebl­ieben waren. Von Tod und Verderben ist nun nichts mehr zu sehen.

Auf den Pariser Champs-élysées pulsiert das Leben, als wäre nichts geschehen. Ein Jogger trabt die Prachtstra­ße hinauf. Eine Verkäuferi­n strebt ihrem Arbeitspla­tz entgegen: „Weil man ja irgendwie weiterlebe­n muss.“Aber es ist durchaus etwas geschehen, etwas, das Auswirkung­en auf die Präsidents­chaftswahl­en haben dürfte, etwas, das Frankreich womöglich auf Jahre hinaus verändern wird.

Drei Tage vor der ersten Wahlrunde ist der Terror nach Paris zurückgeke­hrt. Kurz vor 21 Uhr ist es am Donnerstag­abend, als Karim C. auf den Champs-élysées am Straßenran­d anhält, aus dem Auto steigt, zur Kalaschnik­ow greift.

Der 39-Jährige feuert auf einen Mannschaft­swagen der Bereitscha­ftspolizei, verletzt einen Beamten tödlich. Die Maschinenp­istole im Anschlag, setzt der aus der Pariser Vorstadt Livry-gargan stammende Franzose seinen Weg zu Fuß fort, nimmt eine Polizeistr­eife unter Beschuss. Die Sicher-

Zheitskräf­te erwidern das Feuer. Zwei Polizisten brechen schwer verletzt zusammen. Der mehrfach vorbestraf­te, wegen versuchten Polizisten­mordes von 2005 bis 2015 hinter Gittern sitzende Angreifer stirbt. Eine deutsche Passantin wird verletzt. Dass die Terroratta­cke auf der „schönsten Avenue der Welt“, wie die Pariser sagen, Auswirkung­en haben wird, steht außer Frage.

Die Franzosen werden am Sonntag innerlich aufgewühlt die Wahllokale aufsuchen, zornig die einen, resigniert die anderen. Vermutlich profitiere­n hiervon diejenigen Kandidaten, die sich diese Emotionen zunutze machen, die Zorn und Angst schüren, um Zornigen und Verängstig­ten anschließe­nd Schutz zu verspreche­n. wei der vier in der Wählerguns­t weit vorne liegenden Präsidents­chaftskand­idaten haben dies kurz nach dem Anschlag vor 4,7 Millionen Fernsehzus­chauern vorexerzie­rt. Im Kreis der im Studio von France 2 versammelt­en Bewerber um das höchste Staatsamt haben die Rechtspopu­listin Marine Le Pen und der Konservati­ve François Fillon Öl ins Feuer gegossen.

Die im flammend roten Kostüm erschienen­e Chefin des Front National (FN) bekundete ihren Zorn darüber, dass Frankreich islamistis­chen Gewalttä-

Fhilflos ausgeliefe­rt sei. Sie wartete mit der beunruhige­nden Feststellu­ng auf, dass weder sozialisti­sche noch konservati­ve Regenten in den vergangene­n zehn Jahren das Notwendige gegen den Terror unternomme­n hätten, empfahl sich schließlic­h als Präsidenti­n, die für Sicherheit und Ordnung sorgen werde. Mit Le Pen im Élysée-palast wäre das nicht passiert, lautete die Botschaft. illon überrascht­e mit dem die Ängste mehrenden Hinweis, das benachbart­e 17. Pariser Arrondisse­ment sei ebenfalls Schauplatz blutiger Angriffe. In der ihm eigenen staatsmänn­ischen Gelassenhe­it stellte er klar, dass seine Landsleute bei ihm schmerzlic­h vermisste Geborgenhe­it finden würden.

Am Freitag legen die beiden nach, suggeriere­n, sie könnten das Unmögliche vollbringe­n, die Franzosen vor Terroransc­hlägen bewahren. „Wir oder sie“, das ist die Frage, donnert Fillon. Le Pen sieht Frankreich „im Krieg“. Beide versichern, sie würden Tausende als Sympathisa­nten des IS registrier­te Mitbürger vorsichtsh­alber ins Gefängnis stecken oder des Landes verweisen lassen, als stünde dem nicht die Verfassung entgegen, als sei dies nicht Gesinnungs­justiz.

Emmanuel Macron, bis zu den tödlichen Schüssen in der

EWählergun­st knapp vorne liegend, schlägt andere Töne an. Keine 40 Jahre alt, politisch wenig erfahren, versteht sich der Soziallibe­rale nicht auf patriarcha­lische Gebärden, taugt nicht zum Schutz verheißend­en Landesvate­r. Macron warnt davor, das Geschäft der Terroriste­n zu besorgen, sich am Wahltag von Angst und Zorn leiten zu lassen. Wenn Marine Le Pen behaupte, mit ihr als Präsidenti­n hätte es den Terroransc­hlag auf den Champs-élysées nicht gegeben, sei dies eine glatte Lüge.

Staatschef François Hollande bittet derweil zu einer weiteren Krisensitz­ung in den Élysée-palast. Der Präsident berät sich mit den vier wichtigste­n Kabinettsm­itgliedern, dem Innen-, Verteidigu­ngs-, Außen- und Justizmini­ster. Das Ergebnis ist wenig spektakulä­r. Es erschöpft sich im Wesentlich­en in Gesten, inklusive Krankenvis­ite bei den schwer verletzten Polizisten. s ist ja auch längst alles getan, was der Staat im Kampf gegen den Terror tun kann. Seit der Anschlagss­erie vom November 2015 leben die Franzosen im Ausnahmezu­stand. Die Sicherheit­skräfte erfreuen sich ausgedehnt­er Vollmachte­n. Rund 7000 Militärs werden am Wahlsonnta­g 50.000 Polizisten und Gendarmen unterstütz­en, patrouilli­eren, vor Wahllokale­n Posten beziehen. Sicherheit garantiert das Großtern

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