Futter für den Social Moloch
Sogar „Mutti“ist weniger anmaßend als Theresa May. Während die britische Premierministerin dem Herausforderer Jeremy Corbyn kein Tv-duell gewährt hat, stellt sich die deutsche Kanzlerin ihrem Widersacher vor den Fernsehkameras: Am 3. September übertragen vier Sender diese Konfrontation von Angela Merkel und Martin Schulz. In Österreich gibt es an diesem Sonntagabend die erste Elefantenrunde der Spitzenkandidaten in Puls 4. Weitere folgen auf ATV und im ORF. Dazu kommen noch ein Kanzlerdreikampf bei den Privaten und 25 Zweierkonfrontationen. Jeder gegen jeden – sowohl im ORF als auch bei Puls 4. Es verzichtet allerdings auf das Team Stronach.
In Deutschland hat Merkel den Wunsch von Schulz nach einem zweiten Duell abgelehnt. In Österreich sitzen oder stehen sich Christian Kern, Sebastian Kurz und Heinz-christian Strache sechsmal gegenüber. Dazu noch Sommergespräche, Pressestunden, Klartext-interviews, Servus TV: Das Fernsehen bleibt der Taktgeber auch für diese Wahl. Denn die Politik lässt sich darauf ein. Aus der Sicht der Programmmacher ist das folgerichtig. Die 15 Orf-tv-konfrontationen 2013 hatten zwischen 570.000 und 850.000 Seher. Zumindest Passagen eines dieser Duelle verfolgt haben damals 3,7 Millionen Menschen. Heute verfügt
WFacebook über so viele Nutzer in Österreich. Also wird dies der erste Nationalratswahlkampf, den das Paralleluniversum der digitalen Netzwerke mitentscheidet. Fernsehbilder sind keine Konkurrenz, sondern eine Grundlage dazu. 2013 wurden 32.000 Tweets zu den Duellen abgesetzt. Seit damals hat Armin Wolf seine Follower auf 365.000 vervierfacht. Alle Spitzenkandidaten nutzen Facebook und Twitter. Ihre Parteigänger werden dort in Echtzeit jede Tv-szene sezieren. 25 Stunden Diskussion in Zigtausenden Momentaufnahmen ergeben Hunderte Wahrheiten. Es wird ein irrwitzig rasanter Wettlauf um Deutungshoheit. Mit großen Außenseiterchancen für alle, die dieses Tempo durch Relevanz drosseln – etwa Zeitungen. ährend Merkel und Schulz nur einmal drei Wochen vor ihrer Wahl bewegte Rededuellbilder für den Social Moloch liefern, gibt es von Kern, Kurz, Strache immer neue Szenen aus eineinhalb Monaten Tv-wahlkampf. Beide Strategien sind spekulativ, die hiesige zeigt bloß mehr Selbstbewusstsein für die Medienarena. Denn Spitzenkandidaten können sich im direkten Aufeinandertreffen kaum vertreten lassen. Auf dem Spiel steht dabei aber nicht nur die Wahl, sondern auch die Zukunft des ORF. Er ist der hohe Favorit für die Schuldigensuche jener Parteien, die nicht gewinnen werden.