Zwischen Depression und Sonnenschein
Die Deutschen erleben nun, was in Österreich bereits zur politischen Erfahrung zählt: Das Abstrafen der Regierungsparteien CDU und SPD mit dem parallelen Aufstieg der Rechtspopulisten. 12,6 Prozent der Wähler haben in Deutschland eine Partei gewählt, die Euro und Islamunterricht abschaffen möchte, den Klimawandel leugnet und für den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen eintritt. Diese Alternative für Deutschland würde bereits Zwölfjährige als strafmündig erklären, Vereine für Alleinerziehende nicht mehr unterstützen und bezeichnet Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern als „verfassungsfeindlich“. Die Behandlung der Ns-zeit im Geschichtsunterricht ist für die AFD zu einseitig, dafür tritt sie für die Bewaffnung von Privatpersonen ein und die Bewachung nationaler Grenzen. Politiker der AFD verlangen mehr Rechte für Tiere als für minderjährige Asylwerber.
Bleibt nur zu hoffen, dass die meisten der 5,9 Millionen Afd-wähler dieses Programm nicht gelesen haben. Doch unabhängig davon, sollten die anderen Parteien dringend nicht nur über internes Köpferollen oder thematisches Nachspringen diskutieren. Die Ursachen für den Wahlerfolg finden sich in einem gesellschaftlichen Wandel, auf den die traditionellen Parteien bisher nicht ausreichend reagiert haben.
Die Spaltung der AFD durch den Rückzug ihrer Parteichefin Frauke Petry kann Deutschland aufatmen lassen. Doch die Schwäche der Gegner ist kein Erfolgsrezept für die Zukunft. Vielmehr gilt es, sich auf die Grundlagen unserer Gesellschaft zu besinnen und diese wieder verstärkt zu vermitteln: Bildung, Nächstenliebe, Vertrauen und Kooperation statt Verschwörungstheorien, Rassismus und übersteigerten Nationalstolzes. owohl bei der Wahl in Deutschland als auch in Österreich ist klar, dass die anschließende Regierungsbildung mindestens gleich spannend wird wie die Wahl selbst. In Deutschland steht die AFD noch außerhalb des Verfassungsbogens und kommt als Regierungspartner nicht infrage. Das gewagte Experiment dort lautet vielmehr „Jamaika“und steht auch für die Hoffnung nach mehr Sonne.
Slehrt Politikwissenschaften