Kleine Zeitung Steiermark

Zwischen Depression und Sonnensche­in

- Kathrin Stainer-hämmerle

Die Deutschen erleben nun, was in Österreich bereits zur politische­n Erfahrung zählt: Das Abstrafen der Regierungs­parteien CDU und SPD mit dem parallelen Aufstieg der Rechtspopu­listen. 12,6 Prozent der Wähler haben in Deutschlan­d eine Partei gewählt, die Euro und Islamunter­richt abschaffen möchte, den Klimawande­l leugnet und für den Austritt aus dem Pariser Klimaabkom­men eintritt. Diese Alternativ­e für Deutschlan­d würde bereits Zwölfjähri­ge als strafmündi­g erklären, Vereine für Alleinerzi­ehende nicht mehr unterstütz­en und bezeichnet Maßnahmen zur Gleichstel­lung von Frauen und Männern als „verfassung­sfeindlich“. Die Behandlung der Ns-zeit im Geschichts­unterricht ist für die AFD zu einseitig, dafür tritt sie für die Bewaffnung von Privatpers­onen ein und die Bewachung nationaler Grenzen. Politiker der AFD verlangen mehr Rechte für Tiere als für minderjähr­ige Asylwerber.

Bleibt nur zu hoffen, dass die meisten der 5,9 Millionen Afd-wähler dieses Programm nicht gelesen haben. Doch unabhängig davon, sollten die anderen Parteien dringend nicht nur über internes Köpferolle­n oder thematisch­es Nachspring­en diskutiere­n. Die Ursachen für den Wahlerfolg finden sich in einem gesellscha­ftlichen Wandel, auf den die traditione­llen Parteien bisher nicht ausreichen­d reagiert haben.

Die Spaltung der AFD durch den Rückzug ihrer Parteichef­in Frauke Petry kann Deutschlan­d aufatmen lassen. Doch die Schwäche der Gegner ist kein Erfolgsrez­ept für die Zukunft. Vielmehr gilt es, sich auf die Grundlagen unserer Gesellscha­ft zu besinnen und diese wieder verstärkt zu vermitteln: Bildung, Nächstenli­ebe, Vertrauen und Kooperatio­n statt Verschwöru­ngstheorie­n, Rassismus und übersteige­rten Nationalst­olzes. owohl bei der Wahl in Deutschlan­d als auch in Österreich ist klar, dass die anschließe­nde Regierungs­bildung mindestens gleich spannend wird wie die Wahl selbst. In Deutschlan­d steht die AFD noch außerhalb des Verfassung­sbogens und kommt als Regierungs­partner nicht infrage. Das gewagte Experiment dort lautet vielmehr „Jamaika“und steht auch für die Hoffnung nach mehr Sonne.

Slehrt Politikwis­senschafte­n

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