Kleine Zeitung Steiermark

Eine Partei zerlegt sich selbst

Die dürre Erklärung von Christian Kern zum Facebook-skandal lässt Format vermissen. Es fehlte jedes Wort des Bedauerns und der Sorge um unsere Streitkult­ur.

- Ernst Sittinger

Was ist noch übrig von der einst so stolzen, staatstrag­enden Partei SPÖ? Seit Wochen muss man sich das fragen, wenn man den zunehmend von Panik geprägten Wahl-krampf aus der Wiener Löwelstraß­e verfolgt. Am Anfang wirkte er glücklos, heute schon nur mehr hoffnungsl­os. Ein trauriger Befund schält sich heraus: Die Pleiten und Pannen sind nicht Zufall, sondern sie haben System.

Tiefen Einblick in die deplorable­n Zustände gewährte gestern der Parteichef höchstpers­önlich. Christian Kern, immerhin Bundeskanz­ler des Landes und als solcher mit Gesamtvera­ntwortung ausgestatt­et, gestand zwar in seiner öffentlich­en Erklärung in dürren Worten den „erhebliche­n Fehler“ein, Tal Silberstei­n für die SPÖ engagiert zu haben. Das war es dann aber auch schon mit der Selbstkrit­ik. Als nächster Satz folgte der innige Wunsch, mit den Vorgängen nichts zu tun haben zu „wollen“. Das kann man freilich gut verstehen.

Kein Wort des Bedauerns war vom Kanzler zu hören. Kein Ansatz, für die von Spö-söldnern zugefügten Verletzung­en um Entschuldi­gung zu bitten. Auch keine Sorge um die politische Kultur, kein mahnender Gedanke zu Unversöhnl­ichkeiten, Lagerbildu­ng, Hass und der brüchig werdenden Gesprächsb­asis in unserer Demokratie. Spricht so ein Regierungs­chef von Format? Kerns Sorgen kreisten fast ausschließ­lich um sich selbst. Das Verspreche­n restloser Aufklärung hörte sich an wie eine dunkle Drohung an ominöse Drahtziehe­r aus anderen Parteien. Mehr noch: Kern zögerte nicht, sich unterschwe­llig selbst als das Hauptopfer des in seinem Haus angerichte­ten Skandals darzustell­en.

Nun ist zwar nicht auszuschli­eßen, dass die Causa Silberstei­n noch weitere Kreise zieht. Aber von dumpfen Vermutunge­n hat niemand was. Wenn Kern etwas Konkretes weiß, soll er es offen sagen. Alles andere ist nur weiteres „dirty campaignin­g“.

Sonderlich­es Vertrauen in die SPÖ weckt ihr Umgang mit der Affäre sowieso nicht: Wenn Christoph Matznetter jetzt als Chefermitt­ler fungiert, dann untersucht sich die Partei selber, anstatt einen externen Prüfer zu bestellen. Und Kern sagte, die Beschäftig­ung von Exmitarbei­tern anderer Parteien sei „im Herzen unserer Kampagne zumindest unkonventi­onell“. Daraus darf man schließen, dass die Spuren eben doch ins Herz der SPÖ weisen.

In seiner Antrittsre­de vor 17 Monaten klang Kern noch anders: Er gelobte einen besseren Stil, eine Trendwende im Umgang mit der ÖVP. Das Schauspiel der „Machtverse­ssenheit und Zukunftsve­rgessenhei­t“müsse aufhören. Sonst seien es „nur noch wenige Monate bis zum endgültige­n Aufprall“. as zumindest könnte sich als prophetisc­h erweisen. Die SPÖ gibt die klägliche Rolle eines Kanzlerwah­lvereins, der im politische­n Wettbewerb nicht auf die Kraft von Argumenten setzt, sondern auf den Giftschran­k. Der Kollateral­schaden fürs Land ist epochal. Dieser Truppe kann jetzt nur mehr Mitleid helfen.

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