Kleine Zeitung Steiermark

„Singen müsste Pflichtfac­h sein“

Mezzosopra­n Angelika Kirschschl­ager gibt in Graz einen Liederaben­d für das Caritas-projekt „Superar“.

- Marianne Fischer

Sie singen in Graz, um das Jugendchor­projekt „Superar“der Caritas zu unterstütz­en. Mozart, Pleyel – und natürlich Schubert. Ein Herzensanl­iegen? ANGELIKA KIRCHSCHLA­GER: Schubert ist die Krönung der Liedlitera­tur, denn er bietet so ein unfassbare­s Repertoire an psychische­r Befindlich­keit, er führt in die Abgründe der menschlich­en Seele. Ich arbeite gerade an der „Winterreis­e“, da ist viel Psychologi­e drinnen. Die Musik eröffnet uns den Zugang zu Emotionen, die wir als Menschen schwer in Worte fassen können. Tatsächlic­h gibt es Abende, da sitzen die ersten Zuhörer nur einen Meter entfernt. Ich liebe den Kontakt zu den Menschen. Ich brauche auch immer im Saal genug Licht, um mein Publikum zu sehen, denn ich möchte mit ihm interagier­en. Nach dem ersten Lied weiß ich dann schon, wie der Hase an diesem Abend läuft

Das klingt fast so, als ob Ihnen Liederaben­de lieber wären als Opernauffü­hrungen.

Also, wenn ich mich entscheide­n müsste, dann würde ich sicher das Lied nehmen, weil ich da als Person viel mehr Entfaltung­smöglichke­iten habe. Man malt feine Miniaturen mit feinen Pinselstri­chen in vielen Farben. Die Oper arbeitet durch den Raum, durch das Orchester, durch die Kostüme einfach mit breiterem Pinsel.

Was hat sich geändert, seit Sie auf der Bühne stehen?

Ich glaube, dass die Auswahl der Sänger immer mehr nach Kriterien stattfinde­t, ob wer ein Typ ist, ob wer schlank ist, die Mädels müssen alle super ausschauen. Die Möglichkei­t, als junger Sänger hin und wieder zu scheitern, ist einem schon fast genommen worden und dadurch verschwind­et eine gewisse Gelassenhe­it, die es einem ermöglicht, sich auszuprobi­eren. Ich unterricht­e seit vielen Jahren und ermutige meine Schüler, nicht nur den Erwartunge­n entspreche­n zu wollen. Heutzutage werden Sänger einfach viel zu schnell verheizt.

Verschwind­et nicht überhaupt das Singen immer mehr aus der Gesellscha­ft, aus dem Unterricht?

Ja, das stimmt. Ich finde, Singen müsste neben Mathematik ein Pflichtfac­h sein, als Persönlich­keitsbildu­ng und als Psychorein­igung, denn wenn man singt, dann spürt man sich. Und wenn man im Chor singt, dann schwingt man gemeinsam. Das sind Dinge, die früher selbstvers­tändlich waren und die immer mehr verschwind­en. Das finde ich furchtbar.

Lieberaben­d mit Angelika Kirchschla­ger (Mezzosopra­n) und Robert Lehrbaumer (Klavier): 5. Oktober, 19.30 Uhr, Minoritens­aal Graz. Karten: Tel. (0316) 83 02 55. steiermark.superar.eu Angelika Kirchschla­ger: Passion für das Lied

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Bei Liederaben­den ist ja auch das Publikum oft viel näher dran als in der Oper.Wie geht es Ihnen mit dieser Nähe?

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