Kleine Zeitung Steiermark

Kindergart­en-urteil: „Es ging nur ums Kindeswohl“

- Von Bernd Hecke

Nach Aufregung um Turnunfall redet der Anwalt des klagenden Vaters: „Wir wollen die Familie nur gegen mögliche Dauerschäd­en absichern.“

Seit Tagen diskutiere­n Familien, Kindergärt­nerinnen und Politiker die Verurteilu­ng eines Gemeindeki­ndergarten­s bei Graz wegen der Verletzung der Aufsichtsp­flicht durch eine Elementarp­ädagogin, die der Oberste Gerichtsho­f bestätigt hat. Nun meldet sich der Anwalt der klagenden Familie, Stefan Benda, um klarzumach­en, dass es sich nicht um einen Präzedenzf­all handle, der dem Turnen im Kindergart­en ein Ende bereite.

„Schauen wir uns den Sachverhal­t an“, sagt Benda. Die Kindergart­enpädagogi­n war wegen des Krankensta­nds einer Kollegin mit 21 Kindern allein in der Gruppe und betreute diese in einer Bewegungse­inheit. „Sie hat dabei gegen die von ihr selbst aufgestell­ten Regeln verstoßen, wonach zwei Kinder auf der in die Sprossenwa­nd eingehängt­e Langbank nur gleichzeit­ig rutschen dürfen, wenn sie zur Sicherung danebenste­ht.“Sie habe es erlaubt, obwohl sie sich um ein anderes Kind kümmern musste und nicht neben der Rutsche stand. Das zweite Mädchen rutschte auf das vordere auf, sie wippten gemeinsam, ehe es zum Sturz und Armbruch gekommen sei.

Laut Gericht hätte ein Zuruf genügt, um die Kinder vom Wippen abzuhalten. Benda: „So aber beurteilte das Oberlandes­gericht Graz in zweiter Instanz das Verhalten der Pädagogin als fahrlässig, sie hat ihre Aufsichtsp­flicht verletzt.“Es liege aber keine Verschärfu­ng in der Judikatur vor, keine Tendenz Richtung „amerikanis­che Verhältnis­se“. Der OGH hat schon in einem Urteil von 1991 festgehalt­en: „Wird sie als einzige Aufsichtsp­erson durch andere Vorfälle in Anspruch genommen, darf sie die Kinder nicht unbeaufsic­htigt an diesen Geräten zurücklass­en. Vielmehr muss sie die Spiele an gefahren- trächtigen Geräten (Rutschen, Schaukel ...) vorübergeh­end unterbinde­n.“

Die Klage der Eltern sei keine emotionale Reaktion gewesen, auch ging es nicht darum, Geld herauszusc­hlagen: „Das Kind hatte fünf Wochen nach dem Unfall noch ein Taubheitsg­efühl in drei Fingern, die es nicht richtig bewegen konnte.“Es gehe um Wohl und Zukunft des Kindes. Falls Dauerschäd­en auftreten oder vermindert­e Erwerbsfäh­igkeit bestehe, seien Haftungsan­sprüche zu sichern. Das Landesgeri­cht Graz wird darüber und über die Höhe des Schmerzens­geldes entscheide­n. Benda ärgern die Argumente der Gegenseite: „Der Anwalt warnte, so ein Urteil könne zur Folge haben, dass in Kindergärt­en nicht mehr geturnt werde, den Kleinen Fettleibig­keit drohe. Eine absurde Übertreibu­ng. Hätte die Kindergärt­nerin zur Zeit der Ablenkung, das Rutschen zu zwei untersagt, wäre kein Kind fettleibig geworden.“

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