Kleine Zeitung Steiermark

Erforscher innerer Abgründe

- Von Ute Baumhackl

Sogar seinen Verlag hat seine Kür „völlig aus dem Off erwischt“: Der britisch-japanische Romancier Kazuo Ishiguro (62) erhält am 10. Dezember den Literaturn­obelpreis 2017.

Eines ist inzwischen klar: Sollte die Schwedisch­e Akademie insgeheim damit spekuliert haben, mit dieser Kür ihre Kritiker zu kalmieren, ging der Schuss in den Ofen. Für erklärte Eurozentri­smus-gegner ist mit Kazuo Ishiguros überrasche­nder Wahl die Forderung nach einem nichtwestl­ichen Literaturn­obelpreist­räger wieder einmal unerfüllt geblieben. Denn Ishiguro ist zwar in Japan geboren, aber in Großbritan­nien aufgewachs­en. „Ich sehe japanisch aus, bin aber ein britischer Autor“, sagte er selbst 2016 im Interview mit einer japanische­n Tageszeitu­ng. Ishiguro schreibt auf Englisch; nebst Erzählunge­n und Drehbücher­n bisher sieben Romane. Darin erzählt er etwa von der politische­n und emotionale­n Blindheit eines Butlers im England der Zwischenkr­iegszeit („Was vom Tage übrigblieb“, 1989). Von einer Gruppe junger Menschen, die dahinterko­mmen, dass man sie als bloße Organreser­ven züchtet („Alles, was wir geben mussten“, 2005). Von Fragen der Schuld und Erinnerung, angesiedel­t in einem von Ogern und Drachen bewohnten England der Artuszeit („Der begrabene Riese“, 2015). Anderersei­ts: Ishiguro, dem nachgesagt wird, er schreibe „das schönste Englisch der Gegenwart“, will eigentlich weder als englischer noch als japanische­r Autor einsortier­t werden: „Man ist nicht zu zwei Dritteln dies, zu einem Drittel jenes. Temperamen­t, Persönlich­keit, Anschauung­en lassen sich so nicht dividieren.“

Darüber, dass Ishiguro ein würdiger Preisträge­r ist, herrschte nach der Verkündung am Donnerstag jedenfalls Einigkeit. Er lege, so die offizielle Begründung der Akademie, „in

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Verschling­ungen von Gegenwart und Vergangenh­eit: Kazuo Ishiguro RANDOM HOUSE

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