Kleine Zeitung Steiermark

Eine Schöcklpar­tie per Automobil

- Robert Engele

Oberingeni­eur Karl Slevogt fuhr am 15. August 1909 mit einem Puch-auto auf elenden Gehwegen auf den Schöckl. Vier Tage zuvor hatte er schon in der Landscha-allee den Geschwindi­gkeitsreko­rd von 130,4 km/h aufgestell­t.

Nicht schlecht staunten die verschreck­ten Bergwander­er und Sportler am 15. August 1909, dem Mariähimme­lfahrt-tag, und brachen dann in Jubel aus, als Karl Slevogt und sein Beifahrer Gyula Diescher mit ihrem „Puch 18“mit Getöse vor dem Stubenberg­haus am Schöcklpla­teau vorfuhren.

„Ungeheures Aufsehen unter der gesamten auf der Höhe versammelt­en Touristen- und Sportwelt. Eine Schöckelpa­rtie* per Automobil, das war jedenfalls ein Novum“, berichtete am Tag darauf das „Grazer Volksblatt“. Immerhin war dies die erste Bergfahrt auf steilen Gehwegen in der Steiermark gewesen. Und es „war eine mörderisch­e Fahrt. Auf Hohlwegen, über Felsgeröll, kaum Platz für die Räder mußte der Wagen (ein 18/22 HP, zweisitzig karossiert) die Höhe erkämpfen. Zum Schutze der Pneus (= Pneumatics = Reifen) wurden die Räder mit Ketten umwickelt. Erst wurde der Versuch mit dünnen Gliederket­ten gemacht, dann mußten schwere Fuhrketten angelegt werden ... Trotz Steigung, elendem Weg und regendurch­böhmen weichter Bahn wurde die Schöckelpa­rtie* per Auto doch in zirka 29 Minuten erledigt.“Denselben Text druckte auch die „Allgemeine Automobilz­eitung“mit zahlreiche­n Fotos am 5. September 1909 ab, weitere Sportzeitu­ngen folgten. Dann glückte auch die Rückfahrt nach St. Radegund perfekt, von dort ging es schnellste­ns nach Ligist, wo Firmenchef Johann Puch auf Sommerfris­che weilte. Denn Karl Slevogt wollte seinem Chef topaktuell vom abenteuerl­ichen Bergsieg des Puchautos berichten.

Schon vier Tage zuvor hatte Slevogt in der später für zahlreiche schwere Unfälle berüchtigt­en Landscha-allee (Triester Reichsstra­ße südlich von Leibnitz) ein anderes Meisterstü­ck geliefert. Er hatte, wiederum mit „Herrn Diescher, Beamter der Puch-werke“, als Beifahrer, bei fliegendem Start und mäßigem Wetter mit seinem Vierzylind­er-puch-wagen mit 86 Millimeter Bohrung und 172 Millimeter Hub einen neuen altösterre­ichischen Geschwindi­gkeitsreko­rd von 130,43 km/h aufgestell­t. Danach beschrieb er, wie er sich bei der Rekordfahr­t gefühlt hatte: „Ich bin ganz ruhig. Ich überblicke alles, sehe alles, auch die Leute zur Seite. Nur zu erkennen ist natürlich bei diesem Tempo niemand. Alles konzentrie­rt sich in mir auf den Motor ...“

Doch Karl (immer wieder auch Carl geschriebe­n, er selbst schrieb sich aber stets mit K) Slevogt (1876–1951) aus dem deutschen Sparneck war nicht nur ein begnadeter Berg- und Schnellfah­rer, sondern auch einer der ganz großen deutschen Automobilk­onstrukteu­re seiner Zeit. Am 1. November 1907 hatte er bei einem Rennen auf dem Semmering einen Unfall mit Totalschad­en, den er aber mit Glück unverletzt überlebte, doch seine Karriere bei Laurin und Klement (später Sˇkoda) in war damit zu Ende. Slevogt ging nun zur aufstreben­den Firma Puch nach Graz, übernahm die Leitung und führte sofort zahlreiche Neuerungen ein – was recht einfach ging, da ein Großteil der Firma kurz zuvor abgebrannt war und Slevogt sozusagen bei null beginnen konnte.

Das immer wieder als äußerst bescheiden beschriebe­ne Technik-genie konstruier­te an seiner neuen Wirkstätte neben einem Vierzylind­er-ohc-rennmotor auch eine Gebrauchsm­otoren-reihe mit 14, 22 und 32 PS sowie die dazu passenden Automobile. Er war es auch, der den Puch-antriebsmo­tor für das Luftschiff „Estaric“der Rennerbrüd­er Alexander und Anatol konstruier­te, mit dem sie am 26. September 1909 ihre kurze und spektakulä­re Luftkarrie­re starteten.

Da aber bei Puch bald schon die Sport- und Rennwagena­bteilung eingestell­t wurde, zog der Sportautof­an Slevogt wieder ein Haus weiter und wurde ab 1910 technische­r Direktor im Apollo-werk in Apolda, Thüringen.

* Schöckel – alte Schreibwei­se

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130,4 km/h auf ...
Am 11. August 1909 stellte Karl Slevogt mit seinem Puchrennwa­gen den Geschwindi­gkeitsreko­rd von 130,4 km/h auf ...
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Slevogts Ankunft vor dem Stubenberg­haus auf dem Schöckl
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