Der Wortmaler und Meister wunderbarer Miniaturen
Von Picasso ist bekannt, dass er durch ein Missgeschick einen Tropfen Tinte auf ein noch weißes Blatt Papier fallen ließ. Sofort machte er den Klecks zum Zentrum seines Bildes. Nun ist Andreas Unterweger, 1978 in Graz geboren, nicht Picasso. Aber mit ihm teilt er die Gabe, in meisterhaften, fest geschliffenen Miniaturen scheinbar zufällig entdeckte Worte wie kostbare Fundstücke zu behandeln und sie in den Mittelpunkt seiner Geschichten zu rücken. Er erzählt vom Großen im Kleinen, mit schier unerschöpflicher Phantasie, er ist ein rarer Sprachmagier und Wortmaler zugleich.
Buchtipp: Das gelbe Buch. Droschl. 240 Seiten, 20 Euro.
net: „Als ob es je darum gegangen wäre, dass John und Yoko uns die Wahrheit sagen. Als ob es denn in Wirklichkeit (…) nicht um etwas vollkommen anderes ginge. Etwas Vollkommeneres. Als ob für John und Yoko nicht genau das gälte, was über Vincent van Gogh und seine sonnenblumengelben Himmel gesagt worden ist: Er griff nach einer Utopie, die dadurch für ihn konkret (sprich: wahr, sprich: Leben) werden sollte, dass er sie malte.“us einer gemalten Utopie leitet sich auch Hoboken her. Der erste Hobokener, erzählt Unterweger im „Gelben Buch“, sei ein Maler gewesen, dessen Bilder „derart traumhaft schön gewesen“seien, „dass im Vergleich dazu die Wirklichkeit, die er doch, in
AWahrheit, bloß abgemalt hatte, wie eine schlechte Kopie gewirkt“habe. Gegen diese schlechte Kopie ist nicht zuletzt der Schauplatz des „Gelben Buches“entworfen: ein gelbes Haus mit einem gelben Garten in einer gelben Landschaft, in der alle Dinge, der Honig, die Dotterblumen, die Pilze, der Flussstein, der Suppentopf, der Ginsterbusch, ein lehmgelbes Muttermal und vieles mehr, wie Fortzeugungen des van Gogh’schen Sonnenblumenhimmels wirken. In der grauen Realität der schlechten Kopie wird es dann freilich doch Jahr für Jahr Winter und das Gelb verblasst. Eine Ahnung davon bewahrt bloß die Katze, in deren Träumen das Gelb ungebrochen leuchtet, farbkräftiger und strahlender denn je.