Katalonien ist tiefer gespalten denn je
Als einer der zwei Gründerstaaten des modernen Spanien hätte Katalonien sich bei der Wiederherstellung der Demokratie 1978 einen speziellen Status erwartet. Wegen der labilen politischen Lage nach Francos Tod ist es aber nie dazu gekommen. Auslöser für die aktuelle Eskalation ist, dass das mehrheitlich linke Regionalparlament in Barcelona ein besseres Statut innerhalb eines multinationalen Staates oder die Separation forderte, die konservative Regierung des Partido Popular sich dem aber frontal entgegenstellte und mit dem massiven Einsatz von Spezialeinheiten ein verfassungswidriges Referendum über Kataloniens Unabhängigkeit zu verhindern suchte.
Der dilettantische Versuch der Regionalregierung, „das Mandat des Referendums“in die Tat umzusetzen, wurde von der Zentralregierung von Mariano Rajoy unterbunden: Präsident Carles Puigdemont und sein Kabinett wurden abgesetzt, das Landesparlament aufgelöst und in der Region Wahlen für Dezember ausgerufen. Eine Parallelregierung verwaltet jetzt Katalonien von Madrid aus. Dabei kam die Partei Rajoys in Katalonien bei der letzten Wahl nicht einmal auf neun Prozent der Stimmen.
Rajoy hofft, die gesetzliche und verfassungsmäßige Ordnung in Katalonien wiederhergestellt und Spaniens Einheit gerettet zu haben. In Wahrheit hat er die Polarisierung Kataloniens weiter befeuert. Zivilgesellschaft, Familien, Unternehmen und Gemeinden sind tiefer denn je gespalten. Die Wirtschaft hat großen Schaden erlitten. Auf beiden Seiten herrschen Hass und Verbitterung, seitens der Zentralregierung ist eine geradezu krankhafte Abscheu vor dem Dialog zu spüren. ie man in sechs Wochen und so einer Atmosphäre Wahlen abhalten kann, ist schwer vorstellbar. Möglicherweise werden die Ergebnisse der vorgezogenen Wahlen von 2015 zugunsten der prospanischen Parteien korrigiert – damals bekamen die separatistischen Parteien 47,74 Prozent der Stimmen. Notwendig wäre es aber, zu einem neuen gesellschaftlichen Konsens zu finden. Ohne Toleranz und Kompromissbereitschaft wird dieser nicht zustande zu bringen sein.
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