Ein Jahrzehnt im Leselabyrinth
Der Ort der Geschenksübergabe, die „Buch Wien“, und O’nans „Letzte Nacht“haben eine Gemeinsamkeit: Beide eröffneten sich vor zehn Jahren der Leserschaft. Das Fest der Schreibenden und Lesenden hat sich seither erfolgreich wider alle Zweifler etabliert. Abseits der Großschauplätze Frankfurt und Leipzig hört man hier oft die Beschreibung „familiär“. Kleinreden braucht man die Buchmesse deswegen nicht: Im Vorjahr kamen 43.000 Besucher – so viele wie noch nie.
Verdichteter ist Literatur in Österreich nicht anzutreffen als hier: Mehr als 300 Lesungen und Diskussionen und rund 350 Aussteller beleben die an sich kühle Hallenatmosphäre auf dem Wiener Messegelände. Vormittags schlängeln sich Schulklassen durch die Stände, am Nachmittag erreicht der Lesemarathon mit literarischen Luxusmomenten einen Höhepunkt: Hier liest Florjan Lipuˇs, da präsentiert Michael Pammesberger und dort diskutiert Robert Menasse mit Doron Rabinovici und Paulus Hochgatterer. Danach schnell zu den Preisträgerinnen des Österreichischen Buchpreises, Eva Menasse und Nava Ebrahimi (Debütroman). Das Besondere erwartet den Besucher aber oft (auch) anderswo, an den spärlich besuchten verwaisten Bühnen, wie jener der „Comic Francophone“, auf der französische Autoren die Vielfalt des Comics in breiter Front präsentieren.
kann man der Buchmesse übrigens nicht absprechen. Schon in den Eröffnungsreden geißelten Autor Karl-markus Gauß und Benedikt Föger, Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels, die Entwicklungen in der heimischen Politik: „Es ist unsere Verantwortung, jetzt und hier unsere Stimme zu erheben.“Wie passend: Just zu dem Zeitpunkt, als gestern der neue Nationalrat konstituiert wurde, diskutierte der Publizist Hans-henning Scharsach über die „stille Machtergreifung der Burschenschaften“.