Kleine Zeitung Steiermark

„Über Summen redet beim Brexit noch niemand“

- Von Adolf Winkler

Leigh Turner, britischer Botschafte­r in Wien, zum Stau im Brexit-poker.

Innerhalb von 14 Tagen muss es eine Rahmenvere­inbarung für den Brexit geben. Dieses Ultimatum setzte gestern Eu-chefverhan­dler Michel Barnier Großbritan­nien. Sonst könne man im Dezember keine Gespräche zu den künftigen Beziehunge­n beginnen.

Herr Botschafte­r, warum laufen die Eu-austrittsv­erhandlung­en mit Ihrem Land derart zäh? LEIGH TURNER: Natürlich ist das eine harte Verhandlun­g. Beide Seiten wollen die bestmöglic­he Lösung für sich. Wenn es nach dem Brexit keine Handelshem­mnisse zwischen Großbritan­nien und Resteuropa gibt, ist das gut für beide Seiten.

Aber das zu verhandeln, hängt jetzt in der Luft, weil Bürgerrech­te, Gerichtszu­ständigkei­t und Finanzen noch ungeklärt sind.

Es war so vereinbart, dass wir zuerst über diese drei Austrittsf­ragen reden. Ich beobachte überall gute Fortschrit­te. Bei den Bürgerrech­ten sehe ich alles erledigt, da gibt es eine ge- meinsame Tabelle im Internet, was schon vereinbart ist.

Welcher Punkt der Bürgerrech­te ist aus Ihrer Sicht noch offen? Offen ist, ob in Großbritan­nien ansässige Eu-bürger, die nach dem Brexit zwei Jahre woanders leben, wieder in Großbritan­nien leben können. Das ist jetzt unmöglich. Wir sagen: Ja, wenn dann auch ein britischer Staatsbürg­er von einem Euland in ein anderes wechseln kann. Das haben wir vor über einem Monat vorgeschla­gen, aber die EU hat noch nicht reagiert.

Das wäre wie vor dem Brexit. Ja, aber mit diesem Austausch wäre das erledigt. So wie bereits das Prinzip, dass bleiben kann, wer schon da ist. In der Justiz will die EU als letzte Instanz den Europäisch­en Gerichtsho­f. Das ist unlogisch, dass nur eine Seite über Rechtsfäll­e von Eubürgern in Großbritan­nien oder von britischen Bürgern in der EU entscheide­t.

Beim Geld wollen viele in der EU einen harten Brexit. Leigh Turner: „Wir hatten noch jüngeren Premier als Kurz“

Natürlich wollen die restlichen 27 Eu-staaten von Großbritan­nien so viel Geld wie möglich.

60 Milliarden hätten wir lieber in Pfund als in Euro.

Das Pfund ist eine starke Währung (lacht). Über Summen redet beim Brexit noch niemand. Aber auch da gibt es Fortschrit­te. Ministerpr­äsidentin Theresa May sagte in ihrer Florenzred­e, wir sind bereit, genug zu zahlen, damit kein Land mehr oder weniger für das Eu-budget zahlen muss als bisher.

Aber die 60 Milliarden Euro sind ja kein Schlossges­penst von Eine starke und effektive Regierung in Österreich ist für uns sehr wichtig, so wie eine effektive EU. Wir schauen mit Interesse auf die neue Formation.

Was erwarten Sie von Österreich zum Brexit, wenn es Mitte 2018 den Eu-vorsitz übernimmt? Ich erwarte einen positiven Beitrag, Österreich ist in Sachen Außenpolit­ik gut organisier­t. Ich bin zuversicht­lich, dass wir in der Zeit zu einem guten Ergebnis mit den EU-27 kommen.

Was erwarten Sie während dieser Eu-präsidents­chaft vom absehbaren Kanzler Sebastian Kurz zu den Brexit-verhandlun­gen? Ein Bundeskanz­ler Kurz wäre der jüngste Regierungs­chef in Europa. Wir hatten im 19. Jahrhunder­t mit William Pitt einen noch jüngeren. Der war sehr effektiv. Das wird Kurz auch sein. Er kann beim Eu-vorsitz viel zu einer guten Lösung beitragen.

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Windsor Castle, das berichten ja die britischen Medien. Was sagen Sie zur neuen politische­n Landkarte in Österreich?

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