Kleine Zeitung Steiermark

Sprache, nicht Territoriu­m ist Menschenre­cht

- Lojze Wieser

1. In Europa leben in 49 Staaten 200 autochthon­e und 200 zugewander­te Sprachen, die Sprachen der migrierend­en Menschen sind nicht mitgezählt. Das ergibt acht Kulturspra­chen pro Land. 2. Die meisten Sprachen mussten in der Geschichte ohne Territoriu­m ausgekomme­n. Nur einige konnten einen eigenen „National-staat“gründen. 3. Daraus haben sie das Recht abgeleitet, andere zur eigenen „Nation“hin „zu assimilier­en“. Die Staatsspra­che wurde beherrsche­nd.

4. Das 20. Jahrhunder­t hat das Drei-nationenpr­inzip – die herrschend­e, die taktisch notwendige und die unterdrück­te Nation – zum Heiligtum erhoben. Dem folgend wurde die Welt aufgeteilt. 5. Wir sind Zeugen neuer Sezessions­bestrebung­en. Sie gefährden das Friedenspr­ojekt Europa. 6. Der Nationalst­aat hat im verflossen­en Jahrhunder­t oft Krieg, Ungerechti­gkeiten und neue Minderheit­en hervorgebr­acht. Die zu Minderheit­en Gemachten haben sich der Assimilati­on zur Wehr gesetzt. Oft selbst mit Nationalis­mus und Chauvinism­us.

7. Eine Beurteilun­g der emanzipato­rischen, lebenserha­ltenden und friedensve­rbindenden Kraft von Sprache und Kultur ist ausständig. Die mystische Kraft der Sprachen wird ignoriert.

8. Darin liegen Antwort und Lösung verborgen. 9. Die Politik hat es verabsäumt, aus der Entwicklun­g nach Fall der Mauer und Jugoslawie­ns einen Diskussion­sprozess zur Zukunft zu initiieren.

10. Die Kulturen und Sprachen ohne Territoriu­m tragen die Zukunft in sich, denn sie haben ohne Nationalst­aat überlebt, trotz Assimilati­on.

11. Das Erlernen der Sprache des Nachbarn ist Voraussetz­ung für die tägliche Kommunikat­ion. Die verfassung­smäßige Festschrei­bung des Rechtes auf einen Dolmetsche­r garantiert, sich bei Ämtern klar und präzise zu artikulier­en.

12. Wir stehen an einer Wegkreuzun­g: Entweder werden die Sorgen um die Sprachen ernst genommen oder wir bewegen uns auf einen europäisch­en Filetierun­gsprozess zu, der den Kontinent in einen Nationalst­aatenkrieg führen wird. 13. Es ist an der Zeit, durch die Anerkennun­g jeder Sprache Spaltung zu unterbinde­n und Sprache zum unteilbare­n Menschenre­cht zu machen.

lebt als Verleger in Klagenfurt/celovec

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