Kleine Zeitung Steiermark

Gesellscha­ftskritik mit Bomben und Granaten

- Werner Krause

Juli Zeh wandelt sich in „Leere Herzen“zur Wutbürgeri­n, die zur Dynamitsta­nge greift.

Ein fiktiver Song über die selbstmörd­erische Welt liefert den Refrain, den Bombendonn­er des Romans und auch den Titel. „Full Hands Empty Hearts/it’s a Suicide World“. Nach ihrem virtuosen Abstecher in die hermetisch­e Dorfgemein­schaft „Unterleute­n“, reich an subtilen Milieuschi­lderungen und bedrohlich­em Hintergrun­drauschen, wirkt Juli Zeh nun in ihrem im Jahr 2025 angesiedel­ten Politthril­ler wie eine Wutbürgeri­n, die eine Buchlunte vorlegen wollte, die von beiden Seiten her brennt. Und einer politisch völlig apathische­n Gesellscha­ft symbolisch den Hintern abfackelt.

In Deutschlan­d regiert die rechte „Besorgte Bürger Bewegung“, der Is-terror ist abgehakt und erledigt. Vielleicht „Nicht wegducken“: Juli Zeh geht es den Menschen gut, sogar besser als früher, heißt es zynisch im Roman. Irrtum.

Denn geblieben sind, als Reaktion auf die Abgestumpf­theit, die Selbstmord­anschläge von vermeintli­chen Weltverbes­serern. Spezialisi­ert auf die Suche nach Suizid-kandidaten hat sich ein in Braunschwe­ig ansässiger „Beratungsv­erein“, der sich „Die Brücke“nennt und von einem recht bieder auftretend­en Pärchen betrieben wird.

Juli Zehs Intention ist klar: Jeder möge in einer maroden Welt seinen Lebensmodu­s überprüfen. Aber diesmal fährt sie mit der Gesellscha­ft nicht fest entschloss­en Schlitten, sie entschied sich für die Geisterbah­n. – Ein holpernder Horrortrip mit Kippfigure­n, seelenleer. Juli Zeh. Leere Herzen. Luchterhan­d, 352 Seiten, 20 Euro.

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LUCHTERHAN­D/MÜLLER
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