In der Kürze liegt die Stärke
statt 140
als Limit für eine Botschaft: Twitter sucht sein Heil in dieser Vereinfachung für den Absender auf Kosten des Empfängers. Der Kurznachrichtendienst senkt die Mitmachhürde, indem er die Zeichenzahl für einen Tweet erhöht. Das verlangt geringeres Geschick vom Schreiber und größere Geduld beim Leser. Denn auch für das digitale Gezwitscher gilt, was Goethe und Twain, Voltaire und Marx schon für das Verfassen von Briefen eingestanden haben: „Verzeiht die Länge. Es war nicht genug Zeit für Kürze.“Diese paradoxe Gesetzmäßigkeit hat mehr Berechtigung denn je. Politische Kommunikation funktioniert zugespitzt nach dem Prinzip KISS – keep it simple, stupid! Donald Trumps irrwitzige Tweets sind nur die Überschreitung des Dummchen-zenits.
Die Panikreaktion von Twitter, dessen Nutzerzuwachs seit drei Jahren verflacht, stößt bei den Profis der Wortverknappung in Österreich auf nahezu einhellige Ablehnung. Die kreative Vielfalt dieser typografischen Gegenwehr wirkt als bestes Argument für zwangsläufige Kürze.
An der Auseinandersetzung verblüfft jedoch, dass der Streit vom Anlassfall nicht ins Grundsätzliche übergeht. Denn aus Perspektive der schreibenden Journalistenzunft ist die Knappheit von Twitter die Ausnahme der digitalen Regel. Von Blogs, die vor lauter Vorrede zu spät zur Sache kommen, bis zu schier unendlichen Sportberichten reicht die verschriftlichte Logorrhoe im grenzenlosen Internet. Dazu kommt noch ein mangelndes Bildschirmdesign, das Gleichwertigkeit suggeriert, statt nach Wichtigkeit zu reihen. In Zeitungen hingegen ist nicht nur die Länge einer Kolumne klar definiert. Schon die Endlichkeit des Papiers diszipliniert seine Inhaltsschöpfer. Die in Us-magazinen noch lange verbreitete Unsitte „Fortsetzung auf Seite“ist als Prinzip unprofessionell und signalisiert heute im Ausnahmefall eine außergewöhnliche Wichtigkeit. s gibt nach wie vor keinen schnelleren und besseren Informationsüberblick als die per Print-layout hierarchisch klar gestaltete Doppelseite. Beginnend mit der Überbeanspruchung des Scrollens ist Webdesign insgesamt immer noch zu stark von technischen Möglichkeiten statt vom Vorrang der Orientierungsleistung getrieben. Die Popularität der lange als anachronistisch belächelten Pdf-ausgaben ist ein Beweis dafür. Die aktuelle Twitter-diskussion zeigt an einem Spezialfall, woran digitaler Journalismus insgesamt noch zu oft krankt: Er verschiebt den Zeitaufwand für angemessene Kürze vom Schreiber zum Leser, der das durch überflüssige Längen büßt. Medienberater Peter Plaikner
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