So scharf wie ein Buttermesser
Bryan Adams in der Grazer Stadthalle. Mit Rock hatte das wenig zu tun, dafür umso mehr mit kollektivem Wohlfühlen. Eh schön!
Rock muss, im Gegensatz zum Pop, krachen und kratzen, rumpeln und rumoren, und vor allem muss Rockmusik eine möglichst räudige Anti-haltung einnehmen, ein wildes Dagegen! Bryan Adams, dieser überaus nette Hitfabrikant aus Kanada, ist die Antithese zu all dem. Er ist keine rabiate Kratzbürste, sondern ein mächtig erfolgreicher Faserschmeichler, der seit Jahrzehnten anheimelnde Songs in die Radiolandschaft pflanzt, die zum kollektiven Mainstreamgedächtnis von mehreren Generationen gehören.
Rund 8000 Menschen waren am Samstag in die Grazer Stadthalle gekommen, um sich dem Adams’schen Wellness-programm anzuvertrauen. Das einzig Unhöfliche an diesem Abend war die halbstündige Verspätung, mit der die fünf netten, schon etwas angegrauten Herren um 20.30 Uhr die Bühne betraten. Mit „Do What Ya Gotta Do“aus dem aktuellen, eher belanglosen Album „Get Up“ging es los, der Sound war zu Beginn etwas breiig, doch davon ließ sich das enorm begeisterungsfähige Publikum die Wohlfühlkur nicht verleiden. Als der 58-Jährige seine älteren Hits aus dem Schatzkästchen holte, gab es kein Halten mehr. Bei „Heaven“erstrahlte die ansonsten charmefreie Halle das erste Mal in einem prächtigen Lichtermeer, bei „It’s Only Love“war sogar ein Anflug von Kantigkeit hörbar, und spätestens ab „Cloud Number 9“schwebten die Kurgäste auf Wolke 7.
Adams ist kein funkelnder Charismatiker, sondern ein verlässlicher, omnikorrekter Kumpel, mit dem die Buben auf ein Bier und die Mädchen Pferde stehlen gehen. Musikalisch sind er und seine langjährigen Mitarbeiter solide Handwerker, die bei ihrem Leisten bleiben. Die braven Herren geben sich nie als böse Buben aus, das ist ihnen hoch anzurechnen. Nur Gitarrist Keith Scott schnalzt ab und zu mittelmäßig gefährliche Soli ins Publikum, ansonsten bleibt die Darbietung absolut jugend- und auch überraschungsfrei.
Die Mitsinghymnen rollen in Cd-qualität vom Fließband. Beim „Summer of ‘69“kuscheln sich die Zuhörer zurück in eine heile Vergangenheit, „Have You Ever Really Loved A Woman“löst Knutschalarm unter dem Publikum aus, „18 Til I Die“ist eine liebe Utopie und „Cuts Like A Knife“so scharf wie ein Buttermesser. Aber die Stärke Bryan Adams: „Get Up“. Universal. und vielleicht auch das Geheimnis von Adams: So tief er auch in den Schmalztopf greift, die geballte Empathie gerät dennoch nicht zur aufgesetzten Pose. Der Song „Straight From The Heart“im Zugabenblock könnte als Credo des Kanadiers durchgehen: Nur wenn etwas von Herzen kommt, geht es den anderen zu Herzen.
Die Welt da draußen ist ein „Emergency Room“und Bryan Adams der sanfte Therapeut, der zwei Stunden lang Songs wie Glückskekse verteilt. Sicher, es gibt Spannenderes, aber wahrlich auch Schlimmeres.