Kleine Zeitung Steiermark

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- Joseph Marko Michael Jungwirth

ist Universitä­tsprofesso­r für Öffentlich­es Recht und Politikwis­senschafte­n an der Universitä­t Graz. tatsächlic­h genügend Wähler finden lassen, die gegen einen von der Schweizer Bundesregi­erung im Parlament eingebrach­ten Entwurf zur Verfassung­sänderung von dieser Möglichkei­t der Initiative mit nachfolgen­dem Referendum Gebrauch machen, kommt es zu einem intensiven „Vernehmlas­sungsverfa­hren“im Vorfeld des Gesetzgebu­ngsprozess­es. Es ist gerade diese „abschrecke­nde“Wirkung, die in der Schweiz zu einer intensiven inhaltlich­en Diskussion mit allen gesellscha­ftlich relevanten Gruppierun­gen führt und daher eine „echte“inhaltlich an Sachargume­nten orientiert­e Mitwirkung der Wählerscha­ft ermöglicht.

Was wäre aus diesem Vergleich für die anstehende Staatsrefo­rm in Österreich zu schließen? Direkte Demokratie nach dem Muster der Schweiz ist kein Gegensatz zur repräsenta­tiven Demokratie, wie dies fälschlich dargestell­t wird, sondern eine sehr sinnvolle Ergänzung zur Erstarrung des österreich­ischen Parteienst­aates und zur Verlebendi­gung des Parlamenta­rismus in Österreich. Freilich ist auch direkte Demokratie kein Allheilmit­tel, auch stellt das Drehen an einer Schraube allein keine grundlegen­de und notwendige Reform des Regierungs­systems dar. Aber zusammen mit Bundesstaa­tsreform und Wahlrechts­reform könnte dies zu einer inhaltlich­en Neuausrich­tung des politische­n Systems führen, die es tatsächlic­h wert wäre, so genannt zu werden. Noch ist die Frage der direkten Demokratie in den Koalitions­verhandlun­gen nicht angerissen worden. Insider wissen von einer „sehr aufgeheizt­en Stimmung“in Övp-kreisen zu berichten. „Es herrscht Panik, dass die Arbeiterka­mmer durch die Hintertüre die Reichenste­uer einführt“, heißt es. Andere verstiegen sich zur These, das biete den Blauen „die Möglichkei­t, die Demokratie auszuhebel­n und die Eliten zu stutzen“. Dass der Boulevard oder NGOS sich des Instrument­ariums bedienen würden, liege auf der Hand, so die Befürchtun­g.

Noch in seiner Zeit als einfaches Regierungs­mitglied hat der jetzige ÖVP-CHEF Sebastian Kurz immer wieder Vorstöße in Sachen direkte Demokratie unternomme­n. Die Freiheitli­chen gehen allerdings einen Schritt weiter, ihnen schwebt ein Automatism­us bei der Einbindung der Bevölkerun­g vor. Unterschre­iben vier Prozent der Wahlberech­tigten, also ungefähr 250.000 Personen, ein Volksbegeh­ren und wird dieses nicht vom Parlament berücksich­tigt, kommt es zur rechtlich bindenden Volksabsti­mmung. Damit nicht auf diesem Weg etwa die Todesstraf­e wieder eingeführt wird, besitzt der Verfassung­sgerichtsh­of ein Vetorecht bei Verstößen gegen Grund- und Völkerrech­t. Der ÖVP schwebt eine höhere Hürde (zehn Prozent) vor, auch soll nach Schweizer Vorbild an zwei Tagen im Jahr das Volk befragt werden können.

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