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ist Universitätsprofessor für Öffentliches Recht und Politikwissenschaften an der Universität Graz. tatsächlich genügend Wähler finden lassen, die gegen einen von der Schweizer Bundesregierung im Parlament eingebrachten Entwurf zur Verfassungsänderung von dieser Möglichkeit der Initiative mit nachfolgendem Referendum Gebrauch machen, kommt es zu einem intensiven „Vernehmlassungsverfahren“im Vorfeld des Gesetzgebungsprozesses. Es ist gerade diese „abschreckende“Wirkung, die in der Schweiz zu einer intensiven inhaltlichen Diskussion mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppierungen führt und daher eine „echte“inhaltlich an Sachargumenten orientierte Mitwirkung der Wählerschaft ermöglicht.
Was wäre aus diesem Vergleich für die anstehende Staatsreform in Österreich zu schließen? Direkte Demokratie nach dem Muster der Schweiz ist kein Gegensatz zur repräsentativen Demokratie, wie dies fälschlich dargestellt wird, sondern eine sehr sinnvolle Ergänzung zur Erstarrung des österreichischen Parteienstaates und zur Verlebendigung des Parlamentarismus in Österreich. Freilich ist auch direkte Demokratie kein Allheilmittel, auch stellt das Drehen an einer Schraube allein keine grundlegende und notwendige Reform des Regierungssystems dar. Aber zusammen mit Bundesstaatsreform und Wahlrechtsreform könnte dies zu einer inhaltlichen Neuausrichtung des politischen Systems führen, die es tatsächlich wert wäre, so genannt zu werden. Noch ist die Frage der direkten Demokratie in den Koalitionsverhandlungen nicht angerissen worden. Insider wissen von einer „sehr aufgeheizten Stimmung“in Övp-kreisen zu berichten. „Es herrscht Panik, dass die Arbeiterkammer durch die Hintertüre die Reichensteuer einführt“, heißt es. Andere verstiegen sich zur These, das biete den Blauen „die Möglichkeit, die Demokratie auszuhebeln und die Eliten zu stutzen“. Dass der Boulevard oder NGOS sich des Instrumentariums bedienen würden, liege auf der Hand, so die Befürchtung.
Noch in seiner Zeit als einfaches Regierungsmitglied hat der jetzige ÖVP-CHEF Sebastian Kurz immer wieder Vorstöße in Sachen direkte Demokratie unternommen. Die Freiheitlichen gehen allerdings einen Schritt weiter, ihnen schwebt ein Automatismus bei der Einbindung der Bevölkerung vor. Unterschreiben vier Prozent der Wahlberechtigten, also ungefähr 250.000 Personen, ein Volksbegehren und wird dieses nicht vom Parlament berücksichtigt, kommt es zur rechtlich bindenden Volksabstimmung. Damit nicht auf diesem Weg etwa die Todesstrafe wieder eingeführt wird, besitzt der Verfassungsgerichtshof ein Vetorecht bei Verstößen gegen Grund- und Völkerrecht. Der ÖVP schwebt eine höhere Hürde (zehn Prozent) vor, auch soll nach Schweizer Vorbild an zwei Tagen im Jahr das Volk befragt werden können.