Zur Autorin
geboren am 2. August 1963 in Klagenfurt, ist seit 1991 literarisch tätig. Sie verfasste Romane, Erzählungen und Hörspiele. Werke u. a.: „Halbes Leben“(1994), „Schwestern der Angst“(2010),
„Die Paradiesmaschine“(2016). Drei Könige aus dem Morgenland kommen mit ihren funkelnden Geschenken. Aber leider nicht über die Grenze. Der Schnee fegt von links nach rechts an den Fenstern vorbei. Weihnachtsmusik plätschert und wird von der Bekanntgabe der Flüchtlingsquoten unterbrochen, eine säuselnde Stimme leitet Autofahrer durch das Gestöber. Auch der Schnee muss reibungslos rieseln. Rein weiß. Der Wind bläst durch die Fensterritze. Wo bleibt der Anruf des Geliebten zur Würdigung des zweiten Advents? Was dachte sie wirklich, als sie seinen Ring sah? Ach, hätte ich doch mit ihm die Kinder! Wie die nächsten Tage überbrücken? Der Geliebte ist längst zu Hause, denkt sie, doch steht er noch auf der Brücke. Soll ich umkehren?, fragt er sich. Natürlich nicht. Er kann nicht. Ob sie noch am Fenster steht? Ihm nachschaut? Eisschollen treiben auf dem Flusse herbei. Sie werden sich zueinanderfrieren und eine Decke bilden. Sein Schritt erstarrt mitten auf der Brücke. Ein Weihnachtsbaum steht drüben und auf der Fassade blinken Sterne. Unter dem Christbaum stapelt sich eine kleine Geschenkepyramide. Die Schleifen der Verpackung sind aufgerichtet wie lauschende Ohren. Als könnten sie vernehmen, was wirklich gewünscht wird, um das Paket in ein echtes Geschenk zu verwandeln. Die Kälte kriecht weiter ins Herz. Um es nicht erfrieren zu lassen, greift die noch warme Hand des Geliebten in die Hosentasche, ertastet die Glätte des Goldes und steckt sich diese an. Er dreht den Ring an der Wurzel des Fingers und zaubert sich in die Gegenwart zurück. Rein ist das Gold, 18 Karat Gültigkeit. Schluss mit der Emotion. u Hause wartet das geregelte Spiel einer ehelichen Choreografie. Die Kekse sind gebacken, die Sauna ist geheizt, die Reise gebucht, und es wird nicht viel nachgefragt. Die Geliebte aber will es genauer wissen. Sie ist geschieden und kann froh sein, ihre eigene Familienpartitur zu orchestrieren, solange die Kinder mitspielen, ohne sich für den Schein zu entscheiden. Sie streichelt den Rücken der Katze und freut sich über diese Erkenntnis. Er steht noch immer auf der Brücke und drückt mit all seiner Wärme auf den erlösenden Ring. Die Fassade mit den blinkenden Sternen wirft die Strahlen ins Dunkel und umschlingt sein Herz. Er seufzt und atmet aus und geht verbunden nach Haus. Nun friert aber nicht nur der Fluss zu, auch die Brücke und die Luft. Die Beine sind steif, die Arme kleben kalt am Leib und alle Wärme entweicht. Die Grenzen sind ineinandergefroren. Ein „Ich lieb dich“könnte wärmen. Dazu müsste er eine Weihnachtsfrau aufs Eis legen. Es gibt Wünsche, die man nicht über die Lippen bringt. Zwischen Schneesturm und Sonnenschein wechselt das Wetter. Der Müllwagen hält und die Tonnen werden geleert. Und darüber sitzend im Erker beugt sich ein Antlitz über die Tastatur, nur daran denkend, das Sagbare unsagbar zu machen. Fröhliche Vorweihnachtszeit.
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