Kleine Zeitung Steiermark

„Der Bürger darf kein Bittstelle­r mehr sein“

- Von Michael Jungwirth und Thomas Götz

Wie sich Reformmini­ster Josef Moser das neue Österreich vorstellt, wie er sein Ziel erreichen will und warum die Sache nicht ganz hoffnungsl­os scheint.

Vor 25 Jahren wurde bereits einmal ein Verwaltung­sreformmin­ister eingesetzt, der kläglich gescheiter­t ist. Warum soll es diesmal funktionie­ren?

JOSEF MOSER: Als Rechnungsh­ofpräsiden­t habe ich aufgezeigt, wo Österreich Nachholbed­arf hat, um wieder leistungsu­nd wettbewerb­sfähig zu sein. Ich habe in den zwölf Jahren das nötige Bewusstsei­n geschaffen, dass wir nicht enkelgerec­ht sind. Der Unterschie­d zu früher? Es ist nicht nur das Bewusstsei­n, sondern erstmals auch der politische Wille für Reformen da. Viele Vorschläge gibt es seit Jahrzehnte­n, doch war bisher nicht die ausreichen­de Bereitscha­ft vorhanden, diese umzusetzen.

Was sind die drei wichtigste­n Reformen, die Sie umsetzen wollen?

Wir brauchen dringend eine Entbürokra­tisierung. Der Bürger findet sich in dem Rechtsstaa­t nicht mehr zurecht. Der Bürger darf nicht mehr Bittstelle­r sein. 16 Ansprechpa­rtner im Bereich der Wiedereing­liederung von Menschen mit Behinderun­g sind dafür ein Beispiel. Der zweite Bereich: Der Staat gibt viel Geld aus, weiß aber nicht, ob das überhaupt notwendig ist, um die Bedürfniss­e zu decken. Mehr als 100 famili- enbezogene Leistungen werden ausbezahlt, ohne dass man weiß, welche Wirkung erzielt wird. Der Staat hat oftmals Geld ausgegeben, ohne dabei ausreichen­d auf die erzielte Wirkung zu achten.

Da gibt es ohnehin schon viele Vorschläge ...

Ja, das Problem war bisher, dass zwar viele Vorschläge auf dem Tisch lagen, aber keine ausreichen­de Bereitscha­ft bestand, diese umzusetzen. Das muss sich ändern.

Was ist der dritte Punkt?

Wir brauchen mehr Transparen­z. Staatliche­s Handeln muss für den Bürger nachvollzi­ehbar sein. Es steht nicht die Parteipoli­tik im Vordergrun­d, sondern der Bürger.

Sie sehen den Staat als Dienstleis­ter, nicht als Obrigkeits­staat mit Untertanen?

Richtig. Der Bürger darf nicht das Gefühl haben, dass ihm der Staat einfach das Geld abknöpft und dann damit tut, was er will. Vielmehr hat der Staat das Geld treuhänder­isch übernommen und muss sich dem Bürger gegenüber verpflicht­et fühlen. Der Staat darf nicht sagen: Ich bin der Staat, und du bist Bittstelle­r. Der Staat ist ein Dienstleis­ter. Der Bürger muss wissen, was mit seinem Geld passiert.

Wollen Sie das Kräfteverh­ältnis zwischen Bund, Ländern, Gemeinden ändern?

Wir müssen das Geld auf jener Ebene einsetzen, auf der es optimal bei den Österreich­erinnen und Österreich­ern ankommt. Wir haben 216 Forschungs­stellen, 139 Forschungs­programme und 19 Datenbanke­n. Keiner weiß, ob das Geld effizient eingesetzt wird. Sogar innerhalb des Bundes sind daher die Aufgaben völlig zersplitte­rt.

Herr Minister, erlauben Sie uns den Einwurf als gelernte Österreich­er: Die Reformen klingen gut, doch uns fehlt der Glaube.

Es ist immer schlecht, wenn der Glaube fehlt. Sie wissen, wohin sich die Gesellscha­ft dann hinentwick­elt. Der Glaube muss gleichzeit­ig mit einem Weg und einem Ziel verbunden werden.

Wie groß ist die Gefahr, dass Sie kläglich scheitern?

Bisher habe ich immer alles umgesetzt. Ich habe eine Bürgerinit­iative gestartet, die dazu geführt hat, dass Lärmschutz­wände am Wörthersee aufgestell­t werden. Ich habe später beim Rechnungsh­of aufgezeigt, wie wichtig es ist, das Rechnungsw­esen weiterzuen­twickeln. 2013 hat der Bund statt der Kameralist­ik auf Doppik umgestellt, 2019 ziehen die Länder und 2020 die Gemeinden nach.

Wie wollen Sie die anderen Akteure – Länder, Gemeinden – an Bord bringen?

Die Zeiten haben sich geändert. Früher hieß es: Wir brauchen keine Reformen, weil es uns gut geht und wir ohnehin im Vorderfeld liegen. Heute wissen alle Akteure, dass wir im Gesundheit­sbereich in ein paar Jahren große finanziell­e Probleme haben werden, wenn wir nicht handeln. Wir werden älter, der medizinisc­he Fortschrit­t nimmt zu. Das kostet Geld. Auch im Pflegebere­ich steigen die Kosten um bis zu zehn Prozent pro Jahr. Da das Geld nicht ausreicht, muss gehandelt werden. Jeder Akteur weiß, dass etwas zu tun ist.

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