„Der Bürger darf kein Bittsteller mehr sein“
Wie sich Reformminister Josef Moser das neue Österreich vorstellt, wie er sein Ziel erreichen will und warum die Sache nicht ganz hoffnungslos scheint.
Vor 25 Jahren wurde bereits einmal ein Verwaltungsreformminister eingesetzt, der kläglich gescheitert ist. Warum soll es diesmal funktionieren?
JOSEF MOSER: Als Rechnungshofpräsident habe ich aufgezeigt, wo Österreich Nachholbedarf hat, um wieder leistungsund wettbewerbsfähig zu sein. Ich habe in den zwölf Jahren das nötige Bewusstsein geschaffen, dass wir nicht enkelgerecht sind. Der Unterschied zu früher? Es ist nicht nur das Bewusstsein, sondern erstmals auch der politische Wille für Reformen da. Viele Vorschläge gibt es seit Jahrzehnten, doch war bisher nicht die ausreichende Bereitschaft vorhanden, diese umzusetzen.
Was sind die drei wichtigsten Reformen, die Sie umsetzen wollen?
Wir brauchen dringend eine Entbürokratisierung. Der Bürger findet sich in dem Rechtsstaat nicht mehr zurecht. Der Bürger darf nicht mehr Bittsteller sein. 16 Ansprechpartner im Bereich der Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderung sind dafür ein Beispiel. Der zweite Bereich: Der Staat gibt viel Geld aus, weiß aber nicht, ob das überhaupt notwendig ist, um die Bedürfnisse zu decken. Mehr als 100 famili- enbezogene Leistungen werden ausbezahlt, ohne dass man weiß, welche Wirkung erzielt wird. Der Staat hat oftmals Geld ausgegeben, ohne dabei ausreichend auf die erzielte Wirkung zu achten.
Da gibt es ohnehin schon viele Vorschläge ...
Ja, das Problem war bisher, dass zwar viele Vorschläge auf dem Tisch lagen, aber keine ausreichende Bereitschaft bestand, diese umzusetzen. Das muss sich ändern.
Was ist der dritte Punkt?
Wir brauchen mehr Transparenz. Staatliches Handeln muss für den Bürger nachvollziehbar sein. Es steht nicht die Parteipolitik im Vordergrund, sondern der Bürger.
Sie sehen den Staat als Dienstleister, nicht als Obrigkeitsstaat mit Untertanen?
Richtig. Der Bürger darf nicht das Gefühl haben, dass ihm der Staat einfach das Geld abknöpft und dann damit tut, was er will. Vielmehr hat der Staat das Geld treuhänderisch übernommen und muss sich dem Bürger gegenüber verpflichtet fühlen. Der Staat darf nicht sagen: Ich bin der Staat, und du bist Bittsteller. Der Staat ist ein Dienstleister. Der Bürger muss wissen, was mit seinem Geld passiert.
Wollen Sie das Kräfteverhältnis zwischen Bund, Ländern, Gemeinden ändern?
Wir müssen das Geld auf jener Ebene einsetzen, auf der es optimal bei den Österreicherinnen und Österreichern ankommt. Wir haben 216 Forschungsstellen, 139 Forschungsprogramme und 19 Datenbanken. Keiner weiß, ob das Geld effizient eingesetzt wird. Sogar innerhalb des Bundes sind daher die Aufgaben völlig zersplittert.
Herr Minister, erlauben Sie uns den Einwurf als gelernte Österreicher: Die Reformen klingen gut, doch uns fehlt der Glaube.
Es ist immer schlecht, wenn der Glaube fehlt. Sie wissen, wohin sich die Gesellschaft dann hinentwickelt. Der Glaube muss gleichzeitig mit einem Weg und einem Ziel verbunden werden.
Wie groß ist die Gefahr, dass Sie kläglich scheitern?
Bisher habe ich immer alles umgesetzt. Ich habe eine Bürgerinitiative gestartet, die dazu geführt hat, dass Lärmschutzwände am Wörthersee aufgestellt werden. Ich habe später beim Rechnungshof aufgezeigt, wie wichtig es ist, das Rechnungswesen weiterzuentwickeln. 2013 hat der Bund statt der Kameralistik auf Doppik umgestellt, 2019 ziehen die Länder und 2020 die Gemeinden nach.
Wie wollen Sie die anderen Akteure – Länder, Gemeinden – an Bord bringen?
Die Zeiten haben sich geändert. Früher hieß es: Wir brauchen keine Reformen, weil es uns gut geht und wir ohnehin im Vorderfeld liegen. Heute wissen alle Akteure, dass wir im Gesundheitsbereich in ein paar Jahren große finanzielle Probleme haben werden, wenn wir nicht handeln. Wir werden älter, der medizinische Fortschritt nimmt zu. Das kostet Geld. Auch im Pflegebereich steigen die Kosten um bis zu zehn Prozent pro Jahr. Da das Geld nicht ausreicht, muss gehandelt werden. Jeder Akteur weiß, dass etwas zu tun ist.