Start mit umstrittener Entlastung
Erster Ministerrat der neuen Bundesregierung: Arbeitslosenversicherung wird gesenkt, Gedenkstätte errichtet, einheitlicher Auftritt vorbereitet.
Von Wolfgang Fercher
Einige von ihnen suchen den richtigen Weg ins Sitzungszimmer, manche wirken fast ein wenig eingeschüchtert, andere versuchen tänzelnd, Mikrofonen und Kameras zu entkommen. Kaum eines der neuen Regierungsmitglieder lässt sich vor oder nach der ersten Ministerratssitzung am Dienstag etwas entlocken.
Justiz- und Reformminister Josef Moser (ÖVP) will „Österreich nach vorne bringen“. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) will seine „Erfahrung aus der Wirtschaft“einbringen und betont: „Der erste Schultag war ganz anders.“Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) trägt einige auswendig gelernt wirkende Sätze zur Errichtung einer Gedenkstätte im weißrussischen Maly Trostinez vor, wo 1941 und 1942 mehr als 10.000 österreichische Juden ermordet wurden. Es ist einer der ersten Beschlüsse der neuen Regierung. Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) schwärmt von „großer Harmonie“.
Im offiziellen Pressefoyer, bei dem der erfahrene Diplomat Peter Launsky-tieffenthal als Regierungssprecher präsentiert wird, treten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-christian Strache (FPÖ) gemeinsam auf. Im Hintergrund Europa-, Österreichund Bundesländer-flaggen. Die Inszenierung soll stimmen, wie auch die „Veränderungs“-botschaft. „Die Bezieher kleinerer Einkommen entlasten“, gibt Kurz als zentrales Credo aus. Konkrete Maßnahme: die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Einkommen bis zu 1948 Euro im Monat. Damit würden rund 620.000 Österreicher um etwa 300 Euro pro Jahr entlastet werden, rechnet Strache vor.
Wirksam werden soll das frühestens mit 1. Juli 2018. Niedrigstverdienern bringt diese Ankündigung freilich nichts. Wer weniger als 1342 Euro brutto im Monat verdient, ist ohnehin vom Arbeitslosenversicherungsbeitrag befreit. Spö-sozialsprecher Josef Muchitsch spricht deshalb in einer Reaktion gleich einmal von „schwarzblauer Wählertäuschung“, weil „mehr als eine Million Arbeitnehmer“von der Senkung der Beiträge nichts hätten. Der Ökonom Stephan Schulmeister bezweifelt die Berechnung der Regierung und erwartet nur „50 Euro Entlastung bei einem Einkommen von 1700 Euro brutto“.
Ein weiterer Beschluss: Aus dem Auslandskatastrophen- fonds werden 150.000 Euro freigegeben, um syrische Flüchtlinge in Jordanien zu unterstützen. Die neue Regierung will zudem allen Ministerien ein einheitliches Erscheinungsbild geben. Wie dieses aussehen wird, ist noch offen. Für die Koordination und „Spiegelung“der Themen zwischen den Regierungsparteien werden Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) und Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) zuständig sein. Weitere Vorhaben sollen bei einer Regierungsklausur am 4. und 5. Jänner in der Steiermark beschlossen werden.
Beim Thema Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler sind Kurz und Strache bemüht zu kalmieren. Der Kontakt zur Regierung in Rom sei „ausgezeichnet“, heißt es. Man komme dem Wunsch der Südtiroler nach und werde die Sache gemeinsam mit Italien klären. Linke und rechte Parteien hatten die Aufnahme dieses Themas ins Regierungsprogramm in den letzten Tagen heftig kritisiert.