Richter kippen deutschen Numerus clausus
Deutschland muss die Vergabe der Medizin-studienplätze neu regeln. Folgen für Österreich dürften die Änderungen nicht haben.
Kann jetzt jeder Arzt werden?“, fragte die deutsche „Bild“-zeitung gestern provokant. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht den Numerus clausus für das Medizinstudium als verfassungswidrig eingestuft, weshalb Deutschland die Vergabe der Studienplätze neu regeln muss. Dafür bleiben Bund und Ländern zwei Jahre Zeit. Der Vorwurf der Verfassungsrichter: Die aktuelle Regelung verletze den grundrechtlichen Anspruch auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot. Kurz: Das komplizierte Zulassungssystem mit einem extrem hohen Numerus clausus und langen Wartezeiten sei nicht fair.
Der Anlass für den Gerichtsentscheid war die Klage zweier Studienwerber: Bei einem Notendurchschnitt von 2,0 beziehungsweise 2,6 hatten die beiden nach acht beziehungsweise sechs Jahren noch immer keine Zulassung für ein Studium erhalten. Die Wartezeit ergibt sich aus der hohen Nachfrage: Auf jeden Humanmedizin-studienplatz kommen in Deutschland fünf Bewerber, somit gibt es für 9200 Plätze 43.000 Bewerber. Wer sofort studieren will, braucht einen Abi-schnitt von 1,0 bis 1,2. Wer dieses Kriterium nicht erfüllt, muss warten. Ein weiteres Fünftel wird nämlich über die Wartezeit vergeben, die durchschnittlich 14 bis 15 Semester beträgt.
Wer weniger Geduld hat, geht Aufnahmetests in Österreich ins Ausland, etwa nach Österreich. Hierzulande, wo die Aufnahme über den einheitlichen Medizin-aufnahmetest erfolgt, gibt es durch die 2006 eingeführte Quotenregelung eine klare Aufteilung: 75 Prozent der Medizin-studienplätze sind für österreichische Maturanten reserviert, 20 Prozent gehen an Eu-bürger und fünf Prozent an Nicht-eu-bürger.
Für Österreich dürfte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zunächst keine Auswirkungen haben, da sich nur die Regeln der Studienplatzvergabe, nicht aber die Zahl der Studienplätze ändert.
Für den deutschen Gesetzgeber gilt es nun, das Studienplatz-vergabesystem zu überarbeiten: Die Wartezeit muss begrenzt und die Vergleichbarkeit von Abiturnoten über die Ländergrenzen hinweg bis Ende 2019 erhöht werden.