Eu-kapitän bei hohem Seegang
Österreich will die Migration zum Schwerpunkt seiner Eu-ratspräsidentschaft ab 1. Juli machen.
Jeder bei den europäischen Institutionen in Brüssel akkreditierte Journalist kennt das Café Autriche. Im Parterre des alten Ratsgebäudes Justus Lipsius gelegen, ist die von Schwarz-blau unter Wolfgang Schüssel dem internationalen Pressekorps gestiftete Bar das sichtbarste Relikt, das im Maschinenraum der EU vom letzten österreichischen Ratsvorsitz im Jahr 2006 geblieben ist.
Auch heute regiert in Wien wieder eine Övp-fpö-koalition. Und auch sie hat eine Ratspräsidentschaft zu bestreiten. Diese fällt allerdings in ungleich bewegtere Zeiten, die überschattet sind von der Debatte um eine Reform der EU, vom Brexit und der Migrationsfrage.
Für sechs Monate wird Österreich ab 1. Juli, wenn es von Bulgarien das Ruder übernimmt, bis zum Jahresende auf der Brüfür cke des Großtankers EU stehen. Es ist die dritte Präsidentschaft nach 1998 und 2006. Und auch wenn die Bedeutung des Vorsitzes durch den Vertrag von Lissabon und die Installation eines ständigen Ratsvorsitzenden (zurzeit ist das der Pole Donald Tusk) stark beschnitten wurde, so stellt dieser für das Land, das ihn innehat, doch eine ziemlich große Herausforderung dar.
an Österreich sind diesmal sogar besonders hoch. Da sind nicht nur fast hundert Ratssitzungen, ein Vielfaches an Expertentreffen in Brüssel sowie informelle Ministerräte in Wien, Graz, Linz und Alpbach, die vorzubereiten und zu leiten sind. Da warten nicht nur das Finale der Scheidungsgespräche zwischen der EU und London, die damit verbundene Frage der künftigen Finanzierung der EU und der hässliche Konflikt mit Polen. Es Ratspräsidentschaft: Ab 1. Juli steht Österreich mit Kurz an der Spitze auf der Brücke des Großtankers EU
ist die blaue Regierungsbeteiligung, die da und dort in der EU Zweifel an der europäischen Ausrichtung Wiens genährt hat. Vor allem im Europaparlament wird die Mitgliedschaft der FPÖ in Le Pens Fraktion der rabiaten Eu-feinde als Makel betrachtet. Wird es Kanzler Sebastian Kurz gelingen, die Skepsis auszuräumen, wenn er im Juli in Straßburg Österreichs Vorsitzprogramm vorstellt?
Indem er sich in der Flüchtlingskrise zum Antipoden der Merkel’schen Willkommenskultur stilisierte und im Streit um die Flüchtlingsquoten offen die Osteuropäer Partei ergriff, hat der Kanzler sich nicht nur Freunde in Europa gemacht.
Doch anders als sein Vorgänger Wolfgang Schüssel muss Kurz keine Sanktionen fürchten. Das hat damit zu tun, dass die Migrationsfrage, die einer der zwei Hauptschwerpunkte der österreichischen Ratspräsidentschaft samt einem großen Sondergipfel in Wien sein wird, längst alle Eu-staaten umtreibt. Erst vor zwei Tagen sprach Kurz mit dem niederländischen Premier Mark Rutte darüber, den er als Gast zum Neujahrskonzert in Wien eingeladen hatte. Und