| ORF 2 & ARD, 20.15 UHR Was alle sehen und wo niemand hinsieht
Der sonst so humorige Dresdner „Tatort“zeigt sich heute tiefernst. Steht ihm gut.
Zwei Bilder, wie Licht und Schatten. Auf die Idylle eines heißen Sommertages folgt heute Abend im Dresdner „Tatort“(ORF 2, ARD, 20.15 Uhr) die Kälte eines grausamen Verbrechens an einem Kind. Der achtjährige Rico verschwindet und wird wenig später, verpackt in einer Sporttasche, am Elbufer gefunden. Ein Fall, der viel abverlangt, Zusehern wie Ermittlern.
„Alles super“, sagt Kommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels in ihrem vorletzten „Tatort“), nachdem sie sich aus Überforderung übergeben muss. Tatsächlich ist nichts super, ja nicht einmal annehmbar: Floskeln sind das Einzige, was vom Normalfall übrig bleibt, wenn verzweifelt nach einem pädophilen Kindermörder gesucht wird.
Die neue Dresdner Episode „Déjà-vu“ist von ungewohnter Wucht und Ernsthaftigkeit. Der sonst für das Team übliche doppelbödige, ironische Humor bleibt außen vor. Unter dem selbst gesetzten und von der Öffentlichkeit multiplizierten Druck, den Täter zu finden, zeigt auch Kommissariatschef Schnabel (Martin Brambach) Nerven. „Kann denn nicht mal was Schönes passieren?“, fragt er in leerer Hoffnung. Und auch der alleinerziehenden Gorniak (Karin Hanczewski) geht der Fall nahe. Selbstvergessen entwickelt sich die Suche zur Jagd.
Mit klarer Bildsprache inszeniert, gibt man sich in Dresden von der drastischen Seite: die Verzweiflung der Eltern, das falsche Spiel von Zeugen, die emotionale Nacktheit der Ermittler. In der Regie von „Tatort“-debütant Dustin Loose wird „Déjà-vu“zu einem Thriller, der das Thema Kindesmissbrauch aus einer generellen Perspektive verhandeln will. „Alles super?“Mitnichten. Angenehm ist das nicht unbedingt, sehenswert allerdings schon.