Unglaubliche Kurssprünge
Rund 420 Milliarden Euro stecken derzeit in den Kryptowährungen, 34,5 Prozent davon allein in Bitcoin. Den Höhepunkt erreichte die Kursentwicklung am 7. Jänner. Seitdem hat alleine Bitcoin über 37 Prozent an Wert verloren. Dennoch: Mit rund 8600 Euro ist die Bitcoin elf Mal mehr wert als noch vor einem Jahr.
Nach der dramatischen Entwicklung der Kryptowährungen sprechen viele von einer Spekulationsblase. Wie erkennt man so eine Blase? CHRISTIAN NEMETH: Es hat immer Überhitzungen gegeben, aber bei einer Blase geht der Kurs eines Vermögenswerts innerhalb kurzer Zeit massiv nach oben, ohne dass es jetzt dafür eine fundamentale Rechtfertigung gibt. In Folge kommt es in der Regel auch schnell zu einem deutlichen Rückgang oder sogar zum Zusammenbruch.
Kann man von einer Blase auch profitieren?
Davon kann man nur abraten, das ist sehr gefährlich. Man erkennt erst, ob es eine Blase war, wenn sie geplatzt ist. Es ist sehr schwierig, vorher herauszufinden, wo man steht, am Anfang der Blase oder bei dem Punkt, an dem sie platzt. Eine Blase ist Spekulation. Das hat mit Veranlagung nichts zu tun, sondern es ist ein Ritt auf dem Vulkan.
Die Entwicklung der Kryptowährungen wird gerne mit der Dotcom-blase Anfang des Jahrtausends verglichen. Gibt es Parallelen?
Auch bei der Technologieblase 2001 wurden traditionelle Bewertungsmaßstäbe über Bord geworfen. Plötzlich waren Klicks auf den Internetseiten wichtig und nicht mehr Umsatz, Cashflow oder Gewinn. Aber die Kurssprünge bei Kryptowährung sind deutlich größer als bei der Technologieblase im Jahr 2001. Investoren vergessen auf die Prinzipien der Vermögensveranlagung. Die Gier überlagert das rationale Kalkül.
Kryptowährungen sind nicht reguliert, keiner greift ein. Ist das eigentlich nicht das Wunschszenario für viele Spekulanten?
Es ist schon spannend, dass man für Banken vor wenigen Wochen neue Anlegerschutzregelungen eingeführt hat und gleichzeitig gibt es einen Bereich, der gar nicht reguliert ist. Was ich mir nicht vorstellen kann, ist, dass Regierungen und Notenbanken sich das Geldmonopol aus der Hand nehmen lassen. Das sieht man ja auch bereits, erste Staaten schränken den Handel ein oder verbieten neue Kryptowährungen.
Sehen wir gerade die geschichtlich dramatischste Blasenentwicklung oder gab es bereits schlimmere? Die Tulpenmanie im 16. Jahrhundert ist hier interessant. Der ökonomische Wert einer Tulpenzwiebel war damals unbedeutend. Allerdings war sie schwer zu züchten und es gab eine begrenzte Anzahl. Die teuerste Tulpe war damals die Semper Augustus, von ihr gab es aber überhaupt nur zwölf Stück. Auch bei Bitcoin gibt es eine begrenzte Menge – deutlich mehr als zwölf, aber dennoch begrenzt. Und bei einem knappen Gut mit wenig Regulierung geht mit Investoren oft die Fantasie durch.
Spielt die Nullzinspolitik bei der Entwicklung von Blasen auch eine Rolle?
Nach der Immobilienkrise in den USA hat die Us-notenbank massiv die Zinsen gesenkt. Der damalige Fed-chef Ben Bernanke ist ein Experte der Weltwirtschaftskrise der 1930er. Er hat gewusst, dass eine scharfe Rezession mit fallenden Vermögenspreisen zu einer Spirale