Kleine Zeitung Steiermark

PREMIERE Mit dem fliegenden Teppich ins Filmstudio

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„Die Entführung aus dem Serail“als Filmdreh bei der Salzburger Mozartwoch­e: szenisch diffus, aber überzeugen­d auf der musikalisc­hen Seite.

Jubel braust auf, als Bassa Selim Hand in Hand mit Konstanze eine steile Treppe hinabsteig­t. Doch er kommt nicht aus einem Flugzeug, sondern aus einer orientalis­chen Bibliothek, die wie ein fliegender Teppich über der Bühne des Hauses für Mozart schwebt (Bühnenbild: Jan Pappelbaum). Und er betritt auch keinen türkischen Palast, sondern ein Filmstudio.

Regisseuri­n Andrea Moses zeigt „Die Entführung aus dem Serail“bei der Salzburger Mozartwoch­e nämlich als Filmdreh: Ein Kamerawage­n wird auf Schienen gestellt, auch ein Mikrofonga­lgen ist sichtbar, als der leger gekleidete Bassa, den Peter Lohmeyer als zunehmend nervöser werdenden Regisseur gestaltet, hektisch seine ersten Anweisunge­n erteilt.

Selbst ein Video liefert für diese Umdeutung der Mozartoper nur unzureiche­nde Erklärunge­n: Es zeigt, wie dem Bassa die Frau ausgespann­t und sein Ruf als Fotograf ruiniert wurde. Ob er darüber nun einen autobiogra­fischen Film dreht, bleibt ebenso diffus wie das Spiel zwischen Schein und Wirklichke­it, das Moses – ähnlich wie Christof Loy in seiner ungleich genaueren Deutung der „Frau ohne Schatten“bei den Salzburger Festspiele­n 2011 – zeigen will: Welche Szene nun zu den Dreharbeit­en gehört und wann und warum reale Konflikte der Protagonis­ten ausgetrage­n werden, ist selten unterschei­dbar.

Weit interessan­ter gelingt die musikalisc­he Seite. Ähnlich wie bei der „Zauberflöt­e“im vergangene­n Herbst im Theater an der Wien gestaltet René Jacobs am Pult der auf Originalin­strumenten farbenreic­h spielenden Akademie für Alte Musik Berlin die Sprechpass­agen melodramat­isch aus. Die Dialoge mit Bassa Selim werden immer wieder von einem Hammerklav­ier untermalt, das aus anderen Werken Mozarts zitiert.

Der filigrane Klang des Ensembles mischt sich wunderbar mit den Stimmen der jungen Sängerinne­n und Sänger. Überzeugen­d vor allem Sebastian Kohlhepp, dessen Tenor enorm langen Atem für den Belmonte besitzt, und David Steffens als jugendlich-fescher und präzise singender Osmin. Robin Johannsen glänzt mit nicht minder genauen Kolorature­n als Konstanze; auch die Buffoparti­en sind mit Julian Prégardien als Pedrillo und Nikola Hillebrand als kesser Blonde tadellos besetzt.

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Regisseuri­n Andrea Moses liefert nur unzureiche­nde Erklärunge­n für ihre Umdeutung der „Entführung“STUTTGARTE­R OPER

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