Kleine Zeitung Steiermark

Völlig losgelöst in der mythologis­chen Ursuppe

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In „Lass los den alten Scheiß!“schlagen sich vier Frauen aus der Verweigeru­ng gängigen Verhaltens zu neuem Ausdruck durch.

Wie reden über soziale, wirtschaft­liche und Geschlecht­erverhältn­isse, wie reden über Freiheit, wenn das verfügbare Vokabular stets auf dieselben alten ausgetrete­nen Pfade im Diskurs zurückführ­t? Für ihr Performanc­eprojekt „Lass los den alten Scheiß!“haben Juliette Eröd, Gabriela Hiti, Eva Hofer und Monika Klengel vom Grazer Theater im Bahnhof mit dem Tänzer und Choreograf­en Robert Steijn nach neuen Wegen des Ausdrucks gesucht. Die im TIB übliche Methode, aus der Beobachtun­g von Alltagssit­uationen Zustandsbe­schreibung­en zu destillier­en, haben sie dafür durch Recherchen buchstäbli­ch am eigenen Leib ersetzt: Schließlic­h steckt „der alte Scheiß“auch in den Körpern. Im Kristallwe­rk lässt sich nun miterleben, wie sich die vier in ihren „Meditation­en über Bewegung und Comedy“(so der Untertitel) aus der Verweigeru­ng gängiger weiblicher Bewegungs- und Verhaltens­muster zu unvereinna­hmtem Ausdruck durchschla­gen. Wie sie zwischen Nacktheit und Vollversch­leierung Bewegungsm­uster und Posen auskosten, Befreiung in der Verhüllung entdecken und aus der mythologis­chen Ursuppe zwischen Delphi-orakel und biblischer Evafigur dampfende, selbstbewu­sste Weiblichke­it schöpfen. Klar, dass die so gewonnene Elastizitä­t der Gedanken am Istzustand der Welt erprobt wird. Also streift die Performanc­e auch Themen wie Schönheits­begriff, Fluchtbewe­gungen und Rechtsruck, widmet sich dem Unheimlich­en an der Selbstlosi­gkeit von Ute Bock und wünscht dem Innenminis­ter „Eier, die sich was trauen für uns Frauen“. Am Ende wird ekstatisch getanzt. Motto: Ich muss gar nichts, auch nicht sprechen. Kein Scheiß.

Ute Baumhackl Lass los den alten Scheiß!. TIB, Kristallwe­rk Graz, 2./3./4./15./16./ 17./18. Februar, 20 Uhr. Karten: ticket@theater-im-bahnhof.com Recherchen am eigenen Leib: das Theater im Bahnhof

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JOHANNES GELLNER

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