Wortorkan in der großen Bühnenwüste
Vor 60 Jahren kam der Wortberserker Werner Schwab zur Welt. Er veränderte die Theaterlandschaft mehr als jeder andere Gegenwartsdramatiker. Er ging viel zu früh, vieles aber bleibt.
Europa im Jahr 1989. Vieles stand im Zeichen der Wende, der Umbrüche, des politischen Wandels. Nur in der deutschsprachigen Theaterlandschaft herrschte die große Dürre. Entsprechend trocken und öd wirkten viele Darbietungen. All das änderte sich schlagartig. Denn plötzlich kündigte sich, wuchtig, mit Blitz und Donner, ein Wortorkan an; er fegte durch die muffigen Häuser, er wirbelte weit mehr als nur Staub auf.
Es war die Stunde des Brachialdramatikers Werner Schwab, der im Februar 1958 geboren wurde und mit unglaublicher Schreibbesessenheit auszog, der starren Theaterszene das Ehrfürchteln zu lehren.
So rast- und ruhelos er häufig in der Öffentlichkeit auftrat, so still und in sich gekehrt zeigte er sich bei den zahlreichen privaten Treffen. Meist ergaben sie sich durch Zufall, weil sich die Wege wieder einmal kreuzten. Einmal, bei einem dieser durchaus spannenden Schweigegespräche in seinem Lieblingslokal, sagte Werner Schwab, nachdenklicher noch als sonst: „Manchmal glaub ich, das alles mit meinem Ruhm ist ohnehin nur ein Gag.“Und, nach einem Griff durch die strähnigen Haare, setzte er lächelnd nach: „So, dann werden wir aus dem Gag halt Ernst machen.“
Damals wurden Schwabs Stücke, angefangen von den „Präsidentinnen“bis zur „Volksvernichtung“, landauf, landab gespielt, übersetzt in zahlreiche Sprachen. Speziell in Frankreich fand der vermeintliche Kraftkerl, fast zwei Meter groß, eine enorme Kultusgemeinde. Obwohl seine genialen Wortschöpfungen, die Schwab’sche Sprachmusik, eigentlich als unübersetzbar galten.
Stets aber schien in Schwabs so fragilem Inneren eine zweite Uhr zu ticken, doppelt so schnell, doppelt so fordernd, möglichst rasch möglichst viel zu Papier zu bringen. „Will man die Welt verstehen, muss man sich manchmal von ihr abwenden“, so lautete ein Satz bei einem Gespräch mit Schwab; das war wenige Wochen vor seinem Tod am 1. Jänner 1994. Einem Kometen gleich war Schwab zum viel zu frühen Verglühen bestimmt, nicht zuletzt, weil er all die Geister, Dämonen und realen Schreckgespenster nie und nimmer loswerden konnte.
Schon nach wenigen Jahren werde kein Hahn mehr nach ihm krähen, schrieben deutsche Kritiker in ihren pietätlosen Nachrufen. Aber der Schwab, der schwebt weiterhin. „Ich bin das letzte Biest am Himmel“, schrieb er sarkastisch. Ein gütiges Biest, unvergesslich.