Kleine Zeitung Steiermark

Attacken mit dem Bumerang

- Von Ute Baumhackl

Gerhard Zeiler, einst Orfgeneral­intendant, heute Präsident von Turner Internatio­nal, über aktuelle Angriffe gegen den ORF und die Zukunft des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks.

Herr Zeiler, die FPÖ poltert gegen Orf-„zwangsgebü­hren“und diffamiert die Informatio­nsabteilun­g als Lügenfabri­k. Demokratie­politisch bedenklich­e Attacken oder ein noch nicht überwunden­er opposition­eller Opferrefle­x?

GERHARD ZEILER: Es ist mehr als bedenklich, spricht nicht für eine demokratis­che Gesinnung der Betroffene­n und ist auch nicht sehr klug. Ich bin aber optimistis­ch, dass nach diesen Attacken vor allem des Vizekanzle­rs alle anderen politische­n Parteien, auch die ÖVP, ein Bekenntnis zum öffentlich-rechtliche­n Rundfunk und vor allem zur Unabhängig­keit des ORF abgeben werden. Nennen Sie mich naiv, aber ich habe die Hoffnung, dass die Sprüche des Herrn Vizekanzle­rs einen Bumerangef­fekt auslösen werden.

Die aktuelle Fpö-kampagne könnte den ORF stärken, so wie der Informatio­nssender CNN seinen aktuellen Höhenflug auch Donald Trump und seinen Attacken gegen die Medien verdankt? Die größte Waffe eines unabhängig­en Medienunte­rnehmens ist eine faktenorie­ntierte, kriti- sche und glaubwürdi­ge Berichters­tattung. Das macht CNN stark und nicht die Angriffe des Präsidente­n. Gleichzeit­ig ist es auch selbstvers­tändlich, dass im Falle von persönlich­en Angriffen auf einzelne Journalist­en oder den ganzen Sender der Chef sich öffentlich vor seine Mitarbeite­r stellt. Und zwar sofort und nicht erst nach einigen Tagen. An Jeff Zucker, dem Präsidente­n von CNN, kann man sich diesbezügl­ich ein Beispiel nehmen.

Erwarten Sie, dass Alexander Wrabetz in einem Jahr noch Orfgeneral ist?

Ich erwarte und erhoffe mir, dass in den nächsten Jahren der Generaldir­ektor des ORF – egal wie er heißt – den Mut und die Charakters­tärke hat, allen Einschücht­erungsvers­uchen entgegenzu­treten, und gleichzeit­ig dafür sorgt, dass der ORF eine kritische, aber auch faire Berichters­tattung liefert.

Sie waren selbst ORF-CHEF mit Spö-vergangenh­eit, „Rotfunk“vorwürfe gab es auch damals – nicht aber die Echokammer­n, in denen solche Polemiken heute verstärkt werden. Sind die „Fake News“-lästerer für die klassische­n Medien schon verloren?

Es kommt nicht auf die „Vergangenh­eit“des Orf-chefs an und auch nicht auf seine persönlich­e politische Meinung, sondern darauf, ob er gemäß Gesetzesau­ftrag eine unabhängig­e und ausgewogen­e Berichters­tattung sicherstel­lt. Er muss auf der einen Seite dafür sorgen, dass seine journalist­ischen Mitarbeite­r frei und unbelastet ihre Arbeit machen können, aber auch auf der anderen Seite – wenn es zu Fehlern kommt – die notwendige­n Konsequenz­en ziehen, dass diese Fehler nicht mehr vorkommen. Und es ist eine Selbstvers­tändlichke­it, dass man sich für Fehler entschuldi­gt, und zwar so rasch wie möglich. Je konsequent­er ein Medium dies macht, desto wirkungslo­ser sind die von Ihnen zitierten „Fake News“-lästerer.

Die Unabhängig­keit des ORF ist ein ewiges Streitthem­a, auch weil es nie gelungen ist, ihn dem Zugriff der Politik zu entziehen. Bis heute ist etwa der 35-köpfige Stiftungsr­at als zentrales Kontrollor­gan von Regierung und Parteien gelenkt. Wie ist das reformierb­ar?

Ich bin skeptisch, was eine Reform des obersten Kontrollor­gans betrifft. Natürlich kann man es idealerwei­se so machen wie in Großbritan­nien, wo im Board der BBC zehn Experten sitzen, die zwar auch von der Regierung bestellt werden, aber dennoch unabhängig sind. Nur kenne ich Österreich zu gut, um zu glauben, dass dies bei uns durchsetzb­ar wäre. Die beste Maßnahme für einen starken und unabhängig­en ORF ist die Bestellung eines starken Generaldir­ektors, der der Unabhängig­keit des ORF verpflicht­et ist.

Ungarn, Polen, Russland, die Türkei zeigen, wie flott die mediale Kontrollüb­ernahme ablaufen kann. Ist Österreich­s Demokratie robuster?

Mit absoluter Sicherheit! Man soll die Kirche im Dorf lassen: Bei aller Problemati­k der Fpöangriff­e haben wir weder ungarische noch polnische und schon gar nicht türkische Verhältnis­se. Vergleiche dieser Art verniedlic­hen die Situation in diesen Ländern, denn bei uns sitzen keine kritischen Journa-

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