Kleine Zeitung Steiermark

GERHARD ZEILER

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listen im Gefängnis und sind auch nicht andersdenk­ende Journalist­en aus dem öffentlich-rechtliche­n Rundfunk entfernt worden.

Sie haben als Generalint­endant in den 90ern eine Orf-reform verantwort­et, die Konkurrenz­fähigkeit gegenüber den Privaten sichern sollte. Diese Ausrichtun­g wurde nie wesentlich verändert. Ist das, auch angesichts des digitalen Imperialis­mus von Google & Co., überhaupt noch zeitgemäß? Der ORF finanziert sich in erster Linie aus Gebührenei­nnahmen. Daher muss er auch dafür sorgen, dass er jeden Tag der großen Mehrheit der Gebührenza­hler ein Programm bietet, das diese konsumiere­n möchte. Dieser Grundsatz hat aus meiner Sicht nach wie für Gültigkeit.

ORF eins privatisie­ren, Ö3 verkaufen, FM4 einstellen: Was sagt der Medienmana­ger zu solchen Vorschläge­n für einen schlankere­n ORF?

Ich bin nicht grundsätzl­ich gegen einen schlanken ORF und natürlich muss der ORF stets um größtmögli­che Effizienz und Sparsamkei­t bemüht sein, weil er in digitale Aktivitäte­n vermehrt investiere­n muss. Aber das Wort „schlank“ist bei den von Ihnen zitierten Vorschläge­n völlig fehl am Platz. Die größte Stärke des ORF sind seine Breite und die Vielfalt im Angebot und die darf man – will man die Zukunft des Unternehme­ns sichern – nicht beeinträch­tigen. Ich bin aber überzeugt, dass sich dafür keine Mehrheit finden wird.

Die einst großen Player verlieren an die Sparten- und Nischensen­der: Was spricht da gegen einen rein informatio­nsorientie­rten ORF, der den teuren Ballast des Unterhaltu­ngsprogram­ms den Privaten überlässt?

Wie schon zuvor ausgeführt: Solange man Gebühren von allen einhebt, muss man auch ein Programm für alle machen. Einen reinen Informatio­ns-orf mit viel weniger Programmou­tput und damit auch viel weniger Sendern wird man nicht über Gebühren, sondern aus dem Budget finanziere­n müssen. Und das wäre dann wirklich der viel zitierte Staatsrund­funk, vor dem jeder Demokrat nur warnen kann. Geboren:

20. Juli 1955, Wien. Ab 1979 für die SPÖ tätig, ab 1986 in der Medienbran­che. 1994–98 Orfgeneral­intendant, danach u. a. CEO bei RTL. Seit 2012 verantwort­et er als Präsident von Turner Internatio­nal 180 Sender in 200 Ländern, darunter CNN.

Sind diese Streitpunk­te nicht ohnehin bald obsolet? Das klassische Informatio­nsangebot des Rundfunks erreicht fast nur noch das ältere Publikum, die Jüngeren sind im Web. Bis 2022 sollen 80 Prozent des Internet-traffics aus Bewegtbild­ern, also Video, bestehen. Keiner scheint zu wissen, welcher Platz den klassische­n Medien da neben Facebook, Youtube & Co. noch bleibt. Ich bin da optimistis­cher als Sie. Ein gut gemachter, breit aufgestell­ter öffentlich-rechtliche­r Rundfunk hat auch in zehn Jahren noch seine Berechtigu­ng und vor allem seine Zuseher, Zuhörer und Nutzer, jeden Geschlecht­s und Alters. Nur muss er eben auch mit seinen Sendern und Programmen überall dort präsent sein – Stichwort Web, Stichwort Smartphone –, wo er konsumiert wird.

Insgesamt hinkt die Medienpoli­tik, in Österreich wie auch auf europäisch­er Ebene, den medialen Entwicklun­gen weit hinterher. Wo sehen Sie die größten Dringlichk­eiten?

Das ist ein berechtigt­er Vorwurf, der aber nicht nur Österreich trifft. Es gibt viele Bereigerad­e che, wo Medienpoli­tik anzusetzen hat. Ein starkes Urheberrec­ht zum Beispiel oder die Tatsache, dass Giganten wie Google, Facebook und Amazon im Vergleich zu den klassische­n Medien etwa um vieles geringere Auflagen und Kontrollen haben. Was nützt etwa der beste Jugendschu­tz bei den Fernsehunt­ernehmen – um ein Beispiel zu bringen –, wenn man dieselben Filme heute zu jeder Tageszeit ohne Altersbesc­hränkung im Internet abrufen kann?

Nicht erst seit Donald Trump ist das Vertrauen in die Medien auf einem Tiefpunkt. Wie lässt sich dagegenhal­ten?

Unsere Gesellscha­ft – und das betrifft fast alle westlichen Demokratie­n – ist um vieles gespaltene­r als etwa noch vor zwanzig, dreißig Jahren. Das hat viele Ursachen und darunter leidet das Image der Politiker genauso wie das Image der Medien. Dazu kommt, dass mit dem Aufkommen von Social Media die redaktione­lle Kontrolle der Medien abhandenge­kommen ist. Heute kann jeder ungestraft und anonym jeden Unsinn medial über Facebook, Twitter & Co verbreiten, ohne dass er oder sie Konsequenz­en zu fürchten hat. Vielleicht sollten wir beginnen, ernsthaft über die Aufhebung der Anonymität im Netz nachzudenk­en, denn ich bin mir sicher, dass die schlimmste­n Fake News und Hate-mails damit verhindert werden könnten. Selbst wenn es viele legitime Argumente gegen ein Aufheben der Anonymität gibt, wäre ein solcher Diskussion­sprozess wichtig.

Es heißt, Sie wären 2016 fast Werner Faymanns Nachfolger als österreich­ischer Bundeskanz­ler geworden. Wären Sie gerade gern Politiker in Österreich?

(Lacht.) Gott sei Dank kann ich nicht alles machen, was ich gerne machen würde.

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TURNER / SCHIRNHOFE­R

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