Die tiefen Wunden des Bürgerkriegs
Mit Kanonen gegen den Gemeindebau: Im Februar 1934 eskalierte der Konflikt zwischen christlichsozialem Ständestaat und der Sozialdemokratie. Durch Österreich züngelte die Flamme des Bürgerkriegs.
Dass Österreich seine demokratischen Strukturen nach dem Ersten Weltkrieg anderthalb Jahrzehnte bewahren konnte, mag aus heutiger Sicht eine bescheidene Zeitspanne sein. Aber alle Staaten Ost-, Mittel und Südeuropas einschließlich Italien hatten sich, mit Ausnahme der Tschechoslowakei längst schon autoritären oder diktatorischen Staatsformen zugewendet, und selbst Deutschland war auf dem Weg in die Diktatur zeitlich voraus. Aber der Weg war vorgezeichnet, Demokratie war noch kein außer Streit gestelltes gemeinsames Fundament.
Schon 1930 hatten die Heimwehren sich am italienischen Faschismus orientiert und im Korneuburger Eid geschworen: „Wir verwerfen den westlichen demokratischen Pluralismus und den Parteienstaat! ... Wir kämpfen gegen die Zersetzung unseres Volkes durch den marxistischen Klassenkampf und liberal-kapita- listische
Die Angst vor der Sozialdemokratie war groß, denn diese hatte die Wahlen von 1930 gewonnen, über 41 Prozent der Stimmen erzielt und 72 Mandate gewonnen. Der Machterhalt der Christlichsozialen Partei mit ihren 66 Sitzen war auf die Zustimmung von nationalem Wirtschaftsblock und Heimatblock gebaut, ein labiles Konstrukt. Zudem ging der Blick der Regierung nach Italien, wo Mussolinis Politik in Österreich Bewunderer fand und von wo Massen an illegalen Waffentransporten über Österreich nach Ungarn liefen. Im Jänner 1933 deckte die „Arbeiter-zeitung“auf, dass 40 Waggons mit 84.000 Gewehren und fast 1000 Maschinengewehren aus Italien in die Waffenfabrik Hirtenberg gebracht worden waren, zum größten Teil für den Weitertransport nach Ungarn, zum Teil waren sie aber auch den Heimwehren zugedacht. Die Waffen waren italienische Kriegsbeute, stammten also eigentlich aus den Beständen der alten Monarchie.
Ab 1932 legten die Nationalsozialisten in Österreich bei Landtagswahlen in einem Ausmaß zu, dass sie bei den nächsten Wahlen zum Nationalrat zu einer ernst zu nehmenden Kraft geworden wären. Die Regierung hätte auf jeden Fall ihre Mehrheit eingebüßt, drei große und unversöhnliche Lager standen sich wechselseitig im Wege. Da kam der Regierung Dollfuß eine Geschäfts- Wirtschaftsgestaltung.“ ordnungspanne des Nationalrats am 4. März 1933 sehr gelegen, um die Abkehr vom Parlamentarismus zu realisieren. as war geschehen? Am 4. März 1933 standen im Parlament drei Anträge zum Vorgehen in einem Eisenbahnerstreik auf der Tagesordnung. In der Abstimmung gab es formale Unstimmigkeiten und ganz knappe Resultate, worauf Karl Renner als Erster Präsident des Nationalrats seinen Rücktritt erklärte, um mit seiner Fraktion stimmen zu können. Nun musste der konservative Rudolf Ramek als Zweiter Präsident die Sitzung leiten, aber auch er trat zurück. Wohl im Affekt legte auch der Großdeutsche Sepp Straffner, der Dritte Präsident, seine Funktion nieder, und so konnte die Sitzung nicht ordnungsgemäß geschlossen oder vertagt werden. Sofort sprach die Regierung von einer „Selbstauflösung“des Parlaments und verhinderte in der Folge konsequent, auch mit
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