Kleine Zeitung Steiermark

Das Regime am Nil zog alle Register

- Von Martin Gehlen

Präsidente­nwahl in Ägypten: Nach ersten inoffiziel­len Ergebnisse­n stimmte gut ein Drittel der 60 Millionenw­ahlberecht­igten für Ägyptens Machthaber Abdel Fattah al-sisi.

Das Regime am Nil zog alle Register. Die Straßen waren gepflaster­t mit Plakaten von Präsident Abdel Fattah al-sisi. Arme Ägypter erhielten für ihr Kreuz auf dem Stimmzette­l Lebensmitt­elpakete oder Geldschein­e. Staatliche Angestellt­e und Belegschaf­ten von Betrieben wurden gemeinsam in Bussen zur Abstimmung chauffiert.

Den Widerspens­tigen dagegen drohte der Sprecher dernationa­lenwahlkom­mission, man werde jeden Nichtwähle­r mit einer Geldbuße bestrafen. Mehrere Gouverneur­e versprache­n Dörfern mit der höchsten Beteiligun­g, sie bei der Versorgung mitwasser und Stromzu bevorzugen. Andere Gemeinden bekamen einen neuen Spielplatz, einen Kindergart­en oder eine Versammlun­gshalle in Aussicht gestellt.

Der koptische Papst Tawadros II. und Premiermin­ister Sherif Ismail appelliert­en an die 95 Millionen Landsleute, ihre staatsbürg­erliche Pflicht zu erfüllen. Und das ägyptische Staatsfern­sehen inszeniert­e die dreitägige Abstimmung dann als gut besuchtes, fröhliches Volksfest mit Tanz und Gesang, während Augenzeuge­n in den Wahllokale­n in derregel nur einen mäßigen Andrang beobachtet­en. nd so hat die Strategie des Machtappar­ates, eine Mischung aus Werben, Drohen und Bestechen, am Ende nur bedingt genützt. Nach ersten inoffiziel­len Ergebnisse­n, die in Ägyptens Staatspres­se veröffentl­icht wurden, stimmte gut ein Drittel der 60 Millionenw­ahlberecht­igten für Sisi. 22 Millionen votierten für den amtierende­n Präsidente­n, der damit mehr als 96 Prozent der abgegebene­n gültigen Stimmen erhielt. Lediglich 720.000 machten ihr Kreuz beim AlibiKonku­rrenten Moussa Mostafa Moussa, einem obskuren Architekte­n und Baustoffhä­ndler, der eigentlich auch Sisi unterstütz­t. Dagegen schrieben offenbar zwei Millionen Menschen aus Protest andere Namen auf die Zettel und machten ihre Stimme damit ungültig. Das wären drei Mal so viele Voten, wie Si-

Usis Strohmann Moussa erhielt. „Die Stimmen der ägyptische­n Massen werden bezeugen, dass sich – ohne Zweifel – der Wille unserer Nation kraftvoll durchsetzt und keine Schwäche kennt“, ließ Sisi pertwitter wissen. Das amtliche Endergebni­s soll am kommendenm­ontag bekannt gegeben werden. Die ganze Wahl sei zu „einer Million Prozent“demokratis­ch gewesen, erklärte ein Sprecher des Sisi-lagers gegenüber der BBC. b die Angaben der Behörden zu Wahlergebn­is und Wahlbeteil­igung tatsächlic­h der Realität entspreche­n, ist nach der jahrzehnte­lang üblichen Praxis von Fälschunge­n und Manipulati­onen in Ägypten fraglich. Bei der ersten SisiWahl 2014 lag die Beteiligun­g offiziell bei 47,4 Prozent, während westliche Diplomaten und erfahrene ausländisc­he Wahlbeobac­hter wie die amerikanis­che Carter-stiftung sie auf höchstens 20 bis 25 Prozent taxierten.

Damals hatten sich vor allem Wählerinne­n und Wähler unter 30 Jahren fast komplett verwei-

Ogert. Diesmal melden die Staatsmedi­en eine Beteiligun­g von rund 42 Prozent, während ausländisc­he Diplomaten sie erneut deutlich geringer einschätzt­en. m Vorfeld der Präsidente­nwahl hatte Sisi alle ernsthafte­n Mitbewerbe­r ausschalte­n lassen. Zwei von ihnen sitzen nach wie vor hinter Gittern. Zwei weitere fühlten sich und ihre Mitarbeite­r von dem Staatsappa­rat derart bedroht, dass sie von einer Kandidatur Abstand nahmen. 14 ägyptische Menschenre­chtsorgani­sationen riefen daraufhin die eigene Bevölkerun­g auf, diese „Farce einer Abstimmung“zu boykottier­en. Die Herrschend­en hätten „selbst die Mindestanf­orderungen für eine freie und faire Wahl zertrampel­t“, schrieben sie zur Begründung.

Ähnlich kommentier­te auch Timothy Kaldas, Mitarbeite­r des Tahrir-instituts für Politik des Mittleren Ostens in Washington D.C.: „Die Wahl war schon gefälscht, bevor überhaupt der erste Stimmzette­l angekreuzt war.“

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