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gen fair, menschlich und human umgegangen ist. ch kann mir gut vorstellen, dass die Großzügigkeit, mit der Österreich 1956/57 den weit mehr als 100.000 Flüchtlingen aus Ungarn nach der Niederschlagung der ungarischenrevolution entgegengekommen ist, auch mit Erfahrungen zusammenhängt, die Österreicherinnen und Österreicher ein Vierteljahrhundert früher am eigenen Leib gemacht oder in ihrer Umgebung beobachtet haben.
30 Jahre späterwar es der Prager Frühling, wo sich Österreich neuerlich gegenüber Flüchtlingen bewährt hat.
Und trotz der gezielten Polemik, die Jörg Haider und seine Partei in den 80er- und 90er-
IHeinz Fischer, geb. 1938 in Graz, von 2004 bis 2016 Bundespräsident, zuvor Wissenschaftsminister, Nationalratsabgeordneter der SPÖ sowie Erster und Zweiter Nationalratspräsident.
Bücher: „Erinnerungen in Bildern und Geschichten“, gemeinsam mit Margit Fischer, 2016; „Einewortmeldung“, 2016; „Österreich für Optimisten“, mit Christoph Leitl, 2017.
Jahren des vorigen Jahrhunderts gegen Fremde, gegen Flüchtlinge, gegen Asylsuchende gestartet haben, hat Österreich weiterhin im Großen und Ganzen eine akzeptabel-pragmatische Flüchtlingspolitik verfolgt.
Interessant ist übrigens, dass es in der Zeit der ÖVP/FPÖ-KOalition zu Beginn des 21. Jahrhunderts mehr Asylanträge gegeben hat als im Durchschnitt der nachfolgenden Jahre. Im Jahr 2002 gab es 39.300 Asylansuchen und im Jahr 2003 32.300, während die Zahl der Asylansuchen zwischen 2006 und 2013 jährlich in der Regel unter 20.000 geblieben ist. as Ausnahmejahr 2015 mit 88.300 Asylansuchen hat aber bewirkt, dass eine oft pauschale und undifferenzierte Argumentation gegen Flüchtlinge und Asylsuchende noch wesentlich häufiger geworden ist, als sie das bis zu diesem Zeitpunkt schon war; gleichzeitig hat aber auch die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung zugenommen.
Das Flüchtlingsthema oder genauer gesagt das Schüren von Ressentiments gegen Flüchtlinge hat sich jedenfalls als „wahlkampftauglich“erwiesen. Es wurde für diesen Zweck in einer Weise eingesetzt, die mit humanistischen oder christlichen oder allgemein ethischen Werten wenig zu tun hatte. Dabei ist die Zahl der Asylansuchenden von den schon er-
Dwähnten 88.300 im Jahr 2015 (das entsprach etwa einem Prozent der österreichischen Bevölkerung und war eine absolute Ausnahmesituation) auf 42.300 im Jahr 2016 und 24.700 im Jahr 2017 zurückgegangen. ber in der Tonlage vieler Wortmeldungen wird auf diese entscheidende quantitative Veränderung kaum Bedacht genommen. Gelegentlich hat man sogar den Eindruck, dass manchen daran gelegen ist, den Umstand kleinzureden, dass sich die Zahl der asylsuchenden Flüchtlinge in Österreich gegenüber dem Höchststand von 2015, innerhalb von zwei Jahren, auf ein Viertel reduziert hat.
Die Sprache gegenüber Flüchtlingen und Asylwerbern bleibt dennoch häufig abweisend, pauschal herabsetzend und lässt mich gelegentlich zusammenzucken: Wenn zum Beispiel in den Tagen der Diskussion über das Doppelbudget 2018/2019 häufig der Satz zu hören war: „Wir sparen nicht bei denmenschen“, undwenig später hinzugefügt wurde: „Wir sparen bei den Flüchtlingen“, dann stellt sich die Frage, welche Gedankenwelt das ist, wenn man meint, bei „Flüchtlingen“sparen zu können, aber nicht bei den „Menschen“. „Vorsicht!“, ist man versucht zu sagen: Sparen bei Flüchtlingen ist natürlich auch ein Sparen bei denmenschen – oder?
Jawohl, wir müssen für unsere Bevölkerung bestmögliche Sicherheit schaffen. Ich beglückwünsche unsere Sicherheitsbehörden, dass die Kriminalstatistik des Jahres 2017 erstmals seit vielen Jahren eine sinkende Tendenz aufweist.
Jawohl, wir müssen die Außengrenzen der EU besser schützen und kontrollieren.
Jawohl, wir müssen innerhalb der gegebenen (und nicht unbegrenzten) Möglichkeiten für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa eintreten und dafür werben.
AJawohl, wir müssen Asylverfahren beschleunigen.
Ebenso klar ist aber, was wir nicht tun dürfen: Wir dürfen vom Grundsatz, dass alle Menschen gleich an Rechten und Würde geboren sind und die gleichemenschenwürde haben, auch Flüchtlinge und Asylwerber nicht ausnehmen. Wir müssen fair mit ihnen umgehen. Einmal im Monat sollte man vielleicht darüber nachdenken, wie mansich fühlen würde, falls man selbst ein Flüchtling wäre, oder wie es jenen unserer Vorfahren gegangen ist, die vor 80 Jahren zur Flucht gezwungen waren.
Wenn ich zum Beispiel mit dem früheren Flüchtlingskoordinator Christian Konrad spreche oder mit Kardinal Christoph Schönborn oder mit Vertretern karitativer Organisationen oder mit Bischof Michael Bünker und vielen anderen Gedanken zu diesem Thema austausche und dann mit schriftlichen oder mündlichen Äußerungen aus bestimmten Teilen unserer Gesellschaft, zum Beispiel mit mancher Rede im Bierzelt, konfrontiert bin, dann drängt sich mir folgender Gedanke auf: An der Art, wie jemand über Flüchtlinge spricht, an der Art, wie jemand mit dem Flüchtlingsthema umgeht, kann man sehr viel über daswertesystem diesesmenschen erfahren.
Eines muss allerdings klar und deutlich hinzugefügt werden: Auch Flüchtlinge müssen ihren Teil dazu beitragen, damit das Zusammenleben von Menschen verschiedener Nationalitäten und Kulturen erleichtert und ermöglicht wird. Dazu gehört auch das Beachten der Normen des Gastlandes.
Das alles sind sehr komplexe Aufgaben, für die vor allem eines wichtig ist: guter Wille bei allen Beteiligten.
Vielleicht ist gerade Ostern eine gute Zeit, um sich mit diesem Thema zu beschäftigen.