Eine zittrige Hand am Abzug
Schieß ich heut nicht, schieß ich morgen: Donald Trump hat mit seinen unbedachten Kriegsdrohungen die rote Linie vernünftigen Politikerverhaltens weit überschritten.
Die frühere Us-außenministerin Madeleine Albright hat es auf den Punkt gebracht: „Es gibt die Theorie, dass Unberechenbarkeit ein hilfreiches diplomatisches Werkzeug sein kann“, sagte sie. „Doch permanente unberechenbare Unberechenbarkeit macht es für andere schwierig, unserer Politik zu folgen.“Das ist in diesen Tagen tatsächlich ziemlich kompliziert. Am Mittwoch ließ Donald Trump die Welt per Twitter wissen, Russland solle sich für „hübsche“Raketen bereit machen – „sie werden kommen“. Gestern wollte er sich dann doch nicht so genau festlegen: „Es kann sehr bald oder überhaupt nicht bald sein“, tippte der Präsident nun kryptisch ins Handy.
Kann man Raketen allen Ernstes „hübsch“nennen? Kann man als Befehlshaber der größten Militärmacht dieserwelt einer gegnerischen Atommacht per Handy einen Krieg ankündigen, als sei das alles nur ein Spiel, bei dem am Ende nicht Menschen, sondern bunte Manderl ums Leben kommen? Bevor feststeht, ob Assad tatsächlich Giftgas einsetzte? Zweifelsohne hat Trump jede rote Linie in Be- Nina Koren zug auf verantwortungsvolles Politikerverhalten überschritten. Zur Erinnerung: Das Schlachtfeld in Syrien ist real. Und es stehen sich dort nicht nur die USA und Russland, das Assad unterstützt, gegenüber – was bei einer direkten Konfrontation bereits für einen Flächenbrand ungeahnten Ausmaßes reichen würde. Auch die hochgerüsteten Regionalmächte Iran, Saudi-arabien, Israel und die Türkei mischen mit. Mit seinem unbedachten Tweet hat Trump den Krieg in Syrien in nur wenigen Sekunden auf die nächste Eskalationsstufe getrieben – offenbar ohne die geringste Ahnung von einer Strategie. Dem Präsidenten selbst mag das angesichts seiner innenpolitischen Probleme im Zuge der Russland-ermittlungen eine willkommene Ablenkung sein. Kalt wäre dieser Krieg jedoch nicht.
Begrüßen kann man die Tatsache, dass hinter den Kulissen wieder geredet wird. Zwar geht man in Washington davon aus, dass zumindest ein begrenzter Militärschlag gegen Assad bevorsteht – schon allein, weil sich Trump mit seiner protzigen Ankündigung selbst unter Zugzwang gesetzt hat. Aller Voraussicht nach werden sich die Luftschläge aber wohl nicht gegen russische Militärs direkt richten. Moskauer Militärexperten wie Pawel Felgenhauer betonen, dass auch Russland derzeit keinerlei Interesse an einem Krieg mit den USA habe.
Nicht auf der Agendatrumps scheint eine groß angelegte Militäraktion zum Sturz Assads zu stehen: Sie würde die ultimative Konfrontation mit seinen Unterstützern Iran und Russland bedeuten und wäre für die USA zum jetzigen Zeitpunkt kaum noch zu gewinnen – zu viele Landesteile hat Assad bereits wieder unter Kontrolle. leibt unterm Strich: Es sieht so aus, als würde das große Gemetzel ebenso ausbleiben wie eine echte Lösung des Konflikts in Syrien. Der Unberechenbare im Weißen Haus behält die Hand am Abzug seines Handys – abgeblasen ist die Krise nicht.
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