Siegeszug der guten Nachricht
Das historische Rendezvous an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea. Der große Spatenstich in Kapfenberg. Die Rückkehr von ABBA. Der Sommer. Eine fast perfektewoche.
Schade, dass Sonntag ist. Es war die ziemlich beste aller Wochen: ein Feuerwerk an guten Nachrichten, geeignet, diewelt zu einem besseren Ort zu machen, gefühlt zumindest, wenn auch nur aus dem Zauber des Augenblicks heraus. Das liegt nicht nur am Sommer, der den Frühling übersprang. Der bot nur die perfekte Kulisse für die Kaskade an Erfreulichem. Wir haben die Good News alle auf die Titelseite gehoben und sind so dem Mahnen eines Lesers gefolgt, der unter der Schwerkraft derwelt leidet und uns eindringlich bat, wir mögen doch bedenken, dass in der Früh, wenn die Zeitung erscheint, die Sonne „tendenziell eher aufgeht als untergeht“. Nie fiel es leichter, einem Leseraufruf nachzukommen: diewoche der Sonnenaufgänge.
Der wundersamste war das historische Treffen der Präsidenten Nord- und Südkoreas. Wie die beiden über die Schwelle schritten, einmal vom Norden nach Süden, dann spontan ein paar Schritte über die Grenze retour, wie sie die Hände gemeinsam emporhoben, siegreichen Sportlern auf dem Podest nachempfunden, und wie sie dann einander umarmten: Eswarenmotive für die Geschichtsschreibung.
Noch ist ungewiss, ob und in welchemausmaß diewirklichkeit sich an die Symbolik der Bilder gebunden fühlen wird, was das atomare Rückabspulen konkret bedeutet, aber die Skepsis kann den Sensationsgehalt des Ereignisses nicht schmälern. Der Beschluss, einen Friedensvertrag für die Halbinsel, noch immer im Krieg, auszuarbeiten, die Aussicht, Familien zusammenzuführen, das alles schien noch vor Kurzem illusionär, dem Reich der Fantasie entlehnt.
Auch in Österreich, wir adjustieren den Maßstab, hat eine symbolkräftige Entscheidung eine Zäsur markiert. Die Voestalpine nahm in Kapfenberg und nicht im Perlfluss-delta Chinas den Spatenstich für das erste neue Edelstahlwerk Europas seit den 70ern vor. Es wird das modernste der Welt sein. An den Stahlkocher, wie ihn Peter Turrini in seinen „Minderleistern“beschrieb, wird in diesem Werk nichts mehr erinnern. Die Mitarbeiter, digitalaffine Techniker, werden mit Laptops vor chromfarbenen Maschinen stehen. Ihr Ausbildungsgrad gab den Ausschlag im Abwägen mit den niedrigeren Kosten im Fernen Osten. Das hat etwas Zeichenhaftes. Es verweist auf die Dividende der Ressource Bildung. Sie entscheidet über die Zukunftsfähigkeit des Landes. nd dann auch noch ABBA, heimliche Liebe in jungen Jahren, die nicht einbekannt werden durfte, weil sie von der Deep-purple-fraktion mit Ächtung geahndet wurde. Dass die vier im Studio waren, weckt alte Gefühle. Jetzt darf man. Man hört, sie seien um die 70. Das verstört. Die Bilder im Kopf wollen eingerext bleiben wie Mutters Marmelade. Daher: ein digitales Comeback. Echt sind nur die Stimmen. Die Sänger treten als Avatare auf, als animierte Kunstfiguren. Und alles nur, damit wir nicht an die eigene Vergänglichkeit erinnert werden und diewoche wolkenlos bleibt.
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