Woranscheiterte die Erste Republik und können wir daraus lernen?
Anton Pelinka und Lothar Höbelt präsentierten ihre neuenwerke über die Erste Republik – in Graz wurde dazu kontrovers diskutiert.
Es
ist richtig, dass Österreich als Staat ein Opfer war, doch es ist falsch zu sagen, dass die Bevölkerung kein Opfer war.“Schon bei der Frage nach der Verantwortlichkeit des Scheiterns der Ersten Republik von 1918 bis 1938 widerspricht Lothar Höbelt dieser Aussage Anton Pelinkas. Laut Höbelt sei die Debatte, wer Opfer oder Täter wäre, lächerlich. Vielmehr macht er die wirtschaftliche Situation Österreichs – es sei schlechtergestellt gewesen als alle anderen Nachfolgestaaten der Monarchie – verantwortlich.
Moderiert von Ingo Hasewend wurde im Rahmen einer Buchpräsentation in der Grazer Buchhandlung Moser am Mittwochabend diskutiert. Die Gäste: der in Budapest lehrende Politikwissenschaftler Anton Pelinka und der inwien tätige Historiker Lothar Höbelt.
Die Bücher
L. Höbelt. Die Erste Republik Österreich (1918–38). Das Provisorium. Böhlau, 456 Seiten, 40,00 Euro.
A. Pelinka. Die gescheiterte Republik. Kultur und Politik in Österreich 1918–1938. Böhlau, 319 Seiten, 29,99 Euro. Mit im Gepäck hatten sie ihre jeweils neuen Bücher (siehe Infobox). Beide Werke behandeln die Jahre 1918 bis 1938.
Die Debatte verdeutlichte nicht nur Unterschiede in den Ansichten, sondern auch unterschiedliche Zugänge: So sei laut Höbelt den „ruhigen Jahren“ab 1918 von Historikern bisher zu wenig Beachtung geschenkt worden. Die Erste Republik sieht er als ein Provisorium, das sich vom Charakter des Unfertig-behelfsmäßigen nie ganz zu lösen verstand. Pelinka stellt dagegen neben der Frage nach der Verantwortung auch das fehlende gemeinsame Verständnis über ein neues Staatsgebilde nach dem Krieg in den Mittelpunkt.
Die Diskussion ging über die Erste Republik hinaus, etwa bei dem Begriff Befreiung: Laut Höbelt wäre das damals eher als Zusammenbruch wahrgenommen worden. Pelinka entgegnet: „Wenn man plötzlich sagen kann , Der Figl trinkt zu viel und der Schärf ist sowieso von Sinnen‘, ohne den Kopf dafür hinzuhalten, ist das Freiheit.“
Einigkeit herrscht bei der Frage, ob aktuelle Entwicklungen die Demokratie gefährden könnten. Das sehen beide nicht so. Es sei damals zu viel passiert, außerdem wäre Österreich in ein stabiles demokratisches Umfeld eingebettet, was eine Wiederholung unwahrscheinlich mache, so Pelinka.
Amende noch eine für einen Historiker überraschende Aussage von Höbelt: Man könne aus der Ersten Republik keine Lehren für die Zukunft ziehen. Zu groß seien die Unterschiede zu damals. Damit meint er vor allem Zuwanderung und den demografischen Wandel. David Knes