Eine Tiefenbohrung im Maschinenraum der Politik
Feldenkirchen liefert ein Meisterwerk der Langreportage – über eine tragische Figur.
Journalist Markus Feldenkirchen hat im Vorjahr mit seiner „Spiegel“-reportage über denwahlkampf des Sozialdemokraten Martin Schulz journalistische Maßstäbe gesetzt. Zu Recht ist er auch deswegenzum„journalisten des Jahres“in Deutschland gekürt worden. Seine Geschichte über den Aufstieg und den Absturz des Kanzlerkandidaten der SPD ist ein Lehrstück für jede Journalistenausbildung. Nun hat Feldenkirchen, der sein Handwerk beim „Tagesspiegel“in Berlin unter dem damaligen Chefredakteur Giovanni di Lorenzo erlernt hat, die „Schulz-story“zu einem Buch gemacht. Er hat die Geschichte aber nicht einfach nur aufgebläht oder weitergeschrieben, sondern zu einem Soziogramm der deutschen Sozialdemokraten weiterentwickelt. Es ist ein feines, unterhaltsames Sittengemälde über eine Partei in der Sinnkrise. Feldenkirchen ist es während der Recherche gelungen, tief in die Katakomben des Parteiapparats vorzudringen. Hier schreibt einer fundiert, weil er schon vorher zu den profundenkennern der deutschen Innenpolitik gehört hat und nun auch den Vertrauensvorschuss erhalten hat, monatelang im Maschinenraumdeswahlkampfes mit dabei sein zu dürfen. Das Buch entfaltet seine gesamte Tragik undkomik, weil auch Schulz und auch die Partei beides ist. Es ist dabei nicht nur Beschau, es ist auch ein Blick in diewerkzeugkiste des Hauptstadtjournalismus. Der Leser wird mitgenommen und bleibt dabei aufaugenhöhe oder besser Wissenshöhe des Aufschreibenden.
Feldenkirchen gelingt es dabei vortrefflich Distanz zu halten beim Dichteranrücken. Er hat die schreiberische Gabe, Details preiszugeben, die eindeutig den Quellen zuzuordnensind – weil die Quellen diese für positiv halten. Aber genau durch die feine Ausarbeitung des Autors entstehenbeimleser auch Bilder einerzweitenebene– und nicht alle sind noch vorteilhaft für denjenigen, den man als Erzählenden ausmacht. Manche verkehren sich sogar ins Gegenteil. Lächerlich macht Feldenkirchen dennoch niemanden. Er bleibtamende immer Journalist, bei allem erzählerischen Talent. Markus Feldenkirchen: