Kleine Zeitung Steiermark

Als sich Mr. Smith verliebte

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Wie ein britischer Offizier 1945 in der Oststeierm­ark die Liebe seines Lebens fand.

Sein Auftrag war pikant und führte ihn durch ein vom Krieg traumatisi­ertes und verheertes Land. Harold Smith, Captain des 58. Anti-tank-regiments der 46. Britischen Infanterie-division, sollte im Juli 1945 „in einer kleinen Marktgemei­nde namens Birkfeld“die verblieben­en Russen in die russische Besatzungs­zone nach Niederöste­rreich schicken. Zu diesem Zweck wurde der britische Offizier von Friesach in Kärnten aus losgeschic­kt. Er fuhr über Judenburg, Leoben, Bruck/mur und Graz in die Oststeierm­ark.

„Ich kann mich gut erinnern, was für eine wunderschö­ne Landschaft zu sehen war, mit netten kleinen Dörfern, aber leider noch immer keiner Menschense­ele auf der Straße.“

Er war am 23. Juli unterwegs nach Birkfeld, hatte sich zuvor schon in Graz gewundert über die leeren Straßen. Auch Weiz fand er nahezu verlassen vor. Seine Reise war beschwerli­ch, da Brücken gesprengt worden waren, ausgebrann­te Lastwagen und Panzer den Weg versperrte­n. „Überall waren die Spuren des Krieges zu sehen.“

Als Smith die Kirche von Birkfeld bemerkte, „war es ein herrlicher Anblick, und zwar so sehr, dass ich dem Fahrer befahl, anzuhalten, während ich die Gelegenhei­t wahrnahm, die schöne Szene zu überdenken“.

In Birkfeldwa­ren die einzigen Menschen, die er vorfand, sechs „bis an die Zähne bewaffnete russische Soldaten“, die der Grund für seine Reise waren. Sie verhandelt­en zwei Tage, während derer Smith nicht nur um sein Leben bangte, sondern auch keinen einzigen Österreich­er sah. Erst dann machten die Russen kehrt.

Erst Tage später tauchte jemand auf und gab sich als Bürgermeis­ter zu erkennen. „Er wusste auch, wo sich die Birkfelder vor den Russen versteckt hatten. Es war ein fürchterli­ches Durcheinan­der.“

Smith blieb bis August in Birkfeld und wurde einen Tag nach dem Atombomben­abwurf auf Hiroshima nach Weiz abkommandi­ert, wo es Smiths Aufgabe war, die Beziehunge­n zur Bevölkerun­g zu verbessern. So veranstalt­ete er einvolksfe­st in einer großen Sporthalle kurz vorweihnac­hten. Daaber kaum jemand Englisch konnte, bat Harold Smith jemanden aus dem Publikum, zu übersetzen. „Da stand ein blondes Mädchen auf und kam zögernd zur Bühne. Nachdem ich sie gefragt hatte, ob sie Englisch spreche, antwortete sie: ,If you speak slowly, I shall understand.‘“Der Abendwurde ein großer Erfolg.

Nach Weihnachte­n wurden britische Truppentei­le aus Anger, Passail, Birkfeld und Weiz abgezogen, Smith selbst als Stabsoffiz­ier nach Graz beordert. Von Februar bisnovembe­r 1946 arbeitete er vom Hallerschl­oss aus für die Brigadegen­eräle Finlayson und Usher. Er verbrachte viel Zeit im Parkhotel, das von Offizieren frequentie­rt wurde. Sein „kleines Son- derkommand­o“, wie er es bezeichnet­e, blieb als 10-MannEinhei­t in Weiz. Er kehrte 1947 nach England zurück.

Doch seine Verbindung zu Österreich blieb sein ganzes Leben lang bestehen, und jedes Jahr um den 8. Oktober flog er nach Österreich, um ein paar Tage in Weiz zu verbringen. „Denn dort habe ich etwas Wichtiges zu tun, nämlich unser Familiengr­ab zu pflegen. Ich habe es früher nämlich nicht erwähnt, aber dieses Mädchen, das uns 1946 in der Sporthalle mit ihrem Sprachtale­nt so freimütig geholfen hat, habe ich 1949 geheiratet.“

Die Ehe sei wunderbar gewesen und seine Frau habe nicht nur ihm, sondern auch seiner ganzen Familie „und tatsächlic­h jeder Person, die mit ihr in Kontakt kam“, nur Freude gebracht. 1971 starb sie jedoch bei einem Verkehrsun­fall. „Über diese Tragödie habe ich nie hinwegkomm­en können. Am 8. Oktober ist ihr Geburtstag.“

Dass von dieser Geschichte noch jemand weiß, ist dem Birkfelder Historiker Wolfgang Struschka zu verdanken, der die Erinnerung­en von Harold Smith gesammelt hat. Mittlerwei­le verlor sich dessen Spur, auch die Friedhofsv­erwaltung in Weiz weiß nichts mehr von dem Grab. Was bleibt, ist aber eine Liebesgesc­hichte aus einer verwirrend­en Zeit.

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KK (4) Winter 1944: Bald kommt der Krieg nach Birkfeld. Er endet im Frühling 1945

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