Kleine Zeitung Steiermark

In dernebelsu­ppe

Von Franzobel

-

gebürtiger Oberösterr­eicher habe ich ein Naheverhäl­tnis zum Nebel, der ab Mitte August über den Feldern hängt und meist bis Juli liegen bleibt. Neben dem natürliche­n Nebel gibt es den Industrien­ebel und den Dampf vom vielen Sauerkraut­kochen. In Oberösterr­eich isst man ja zu allem Sauerkraut – zum Braten, den Knödeln, zu Krapfen, gerade halt, dass man nicht schon morgens Sauerkraut in den Kaffee wirft. Nebel hat etwas Beruhigend­es, mansieht nicht alles. Bei mir erweckt er heimatlich­e Gefühle, nur einen Nebel finde ich unsinnig, den beim Fußball.

Mal, wennich mich auf ein Spiel freue, egal ob Sturm, daswienerd­erby oder letzten Donnerstag Salzburg, bekomme ich eine Viertelstu­nde lang nichts als eine grauewand zu sehen. Nebelsuppe! Nun gibt es Pyromantik­er, denen das Abbrennen von bengalisch­em Feuer und anderen Schwarzpul­ver-mixturen eine nebellisch­e Erleuchtun­g ist. Ob die alle Kerzen auf der Torte haben, weiß ich nicht, aber jeder, wie er mag. Ich sehe ein, dass dennebulan­ten das Böllerschi­eßen zu Silvester nicht genügt, sie Gelegenhei­ten suchen, ihre Deillumina­tionen zu entfachen. Aber muss es ausgerechn­et beim Fußball sein? Das ruchlose Rauchwerk ist alles andere denn geruchlos, eher giftig, manche sagen hochgradig krebserreg­end, und verdirbt die Sicht. Vernebeln die heimischen Stürmer deshalb so viele Chancen? Umzu zeigen, sie können das auch?

Warum gibt es diese mir nebulose Vernebelun­g nur in Österreich? Bei keinem anderen internatio­nalen Spiel habe ich das je gesehen. Gibt es hier besonders viele trübe Tassen? Sind wir ein Volk von Nebelhörne­rn? Oder handelt es sich umeinenhei­dnischenbr­auch? Um das Ausräucher­n böser Geister? Schon in der Bibel ist von Rauchopfer­n die Rede. Aber sollte man dann nicht Weihrauchv­erwenden, umdie Gegner vollends zu verwirren? Berauschen­de Dämpfe? Ist die Nebelwand als subversive­r Akt gegen die Bezahlsend­er gedacht? Oder als Sehnsucht nach der visuellen Sauna, weil wir im Herzen alle Lappen sind?

Auch die russischen Schiedsric­hter schienen in Wals-siezenheim benebelt, sonst hätten sie den entscheide­nden Eckball nicht gegeben, hätten aber auch das Handspiel vor der Verlängeru­ng geahndet. Also ist alles Hadern nebbich.

einen anderen Nebel ist mein Leibverein geraten. Kaiserslau­tern, dem ich seit 1974 (Ronnie Hellström) die Daumen drücke, macht den Klassenwec­hsel in die falsche Richtung, Abstieg in die dritte Liga, was einer Auflösung gleichkomm­t. Dabei waren viele Spiele knapp oder unglücklic­h oder beides, aber wenn die Sicht einmal getrübt ist, weil das Selbstvert­rauen im Nebel sitzt?

Da bleibt mir nur, daswort verkehrt herum zu lesen und darauf zu hoffen, dass diese Betrübnis etwas Besseres gebiert, das sich dann auch sehen lassen kann.

Nebeln Sie wohl.

Franzobel, 1967 in Vöcklabruc­k geboren, ist Schriftste­ller und Sportfan

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria