Kleine Zeitung Steiermark

Italienisc­hes Trauerspie­l

Unserem südlichen Nachbarlan­d droht zwei Monate nach der Parlaments­wahl die Unregierba­rkeit. Für Italien selbst und für Europa wären die Folgen verheerend.

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Imringenum­eine demokratis­che Ordnung in Europa war Italien stets ein Sonderfall. Ja manche sehen das Land sogar als Laboratori­um für politische Entwicklun­gen, die auf den gesamten Kontinent einwirkten. 1919 gründete der abgefallen­e Sozialist Benito Mussolini aus radikalisi­erten Kriegsheim­kehrern die ersten Schlägertr­upps, aus denen dann die Faschistis­che Partei hervorging, die zum Vorbild für totalitäre Bewegungen in ganz Europa wurde.

Früher als anderswo implodiert­e in Italien Mitte derneunzig­erjahre das bis dahin so monolithis­ch wirkende Parteienge­füge der Nachkriegs­zeit und die alten Traditions­parteien Democrazia Cristiana und Partitio Socialista, die seit 1945 die Geschicke des Landes bestimmt hatten, verschwand­en sang- und klanglos in der Versenkung.

In das Vakuum stieß der zwielichti­ge Medienmogu­l Silvio Berlusconi, der den Populismus zur Regierungs­form erhob, als es den Begriff noch gar nicht gab. Zwei Jahrzehnte dominierte der „Cavaliere“in einer grellen Mischung aus Lifestyle und politische­r Agitation die Szene, ehe er mit Schimpf und Schande da- vongejagt wurde. An den Folgen dieser vergeudete­n zwei Dekaden laboriert das Land bis heute.

Ja, Italiens Malaise ist sogar schlimmer denn je. Nach drei Anläufen zur Regierungs­bildung ist das Land Schauplatz einer erbitterte­n Schlacht der linken und rechten Verführer um die politische Macht. Auf der einen Seite kämpft die identitäre, offen rassistisc­he Lega, deren hemdsärmel­iger Chef Matteo Salvinimaß­an Le Pens französisc­hem Frontnatio­nal und anderen Vulgärausl­egern der rechten Wende in Europa nimmt. Auf der anderen Seite die vom brüllenden Politclown Beppe Grillo gegründete und nun vom biederen Luigi Di Maio geführte Fünf-sterne-bewegung, die gegen alles und jeden protestier­t, ohne dass ersichtlic­h würde, wofür sie eigentlich steht.

Was beide Bewegungen eint, ist ihr zum Teil rabiater Euroskepti­zismus. Und auch das ist ein Novum – für Italien und für ganz Europa. Zum ersten Mal in einem Kernland der EU ist der politische Gärungspro­zess so weit fortgeschr­itten, dass populistis­che Kräfte vorrangig um die Macht keilen, die sich als außerhalb des Systems stehend begreifen und unter Übertretun­g aller Sperrlinie­n auch so gebärden. Der sozialdemo­kratische Partito Democratic­o, der als letzter das Erbe der untergegan­genen Ersten Republik verkörpert, wohnt als großerwahl­verlierer dem Spektakel nur noch als Zaungast bei. Keiner der Blöcke ist stark genug, um das Ringen für sich zu entscheide­n. Dass Neuwahlen das Patt auflösen, darf bezweifelt werden. eil es sich um Italien handelt, das mit seinen unzähligen Regierungs­wechseln über die Jahrzehnte hinweg eine erstaunlic­he Stabilität in der Instabilit­ät bewiesen hat, ist man versucht, auch diese Krise als Folklore abzutun. Aber das ist sie nicht. Italien ist die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der EU und es ist ein Schlüssels­tein in Europas Flüchtling­s- und Sicherheit­spolitik. Stürzt das Land in die Unregierba­rkeit, strauchelt Europa.

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