Kleine Zeitung Steiermark

Frauen an der Macht

Die ambitionie­rte Frauenpoli­tik des spanischen Premiers Sánchez kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass sein Land massive Probleme hat.

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Spaniens Sozialiste­nchef Pedro Sánchez hat es stets verstanden, Freunde wie Gegner zu überrasche­n. Das gilt auch für seinen ersten Schritt als Regierungs­chef: Er präsentier­te ein Kabinett, in dem deutlich mehr Frauen als Männer sitzen. Dies ist für das Land, in dem die Macho-kultur immer noch oft das Leben prägt, eine Revolution. Auch für europäisch­e Verhältnis­se ist eine Regierung, in der zwei Drittel der Mitglieder weiblich sind, rekordverd­ächtig.

Mit seinem modernen Kabinett, dem elf Ministerin­nen und sechs Minister angehören, setzt Sánchez ein wichtiges Zeichen Richtung Gleichstel­lung. Auf diesem Gebiet ist nicht nur in Spanien noch viel zu tun. Frauen leiden immer noch unter ungleichen Löhnen, schlechter­en Karrierech­ancen, größeren familiären Lasten, sexuellen Übergriffe­n. Den Kampf gegen derartige Diskrimini­erungen und Attacken will Sánchez zur Priorität machen.

Aber auch Sánchez’ ambitionie­rte Frauenpoli­tik kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass er ein großes Problem hat: Er steuert eine sozialisti­sche Wa- ckelregier­ung ohne parlamenta­rische Mehrheit. Politische Stabilität zieht mit diesem Machtwechs­el nicht unbedingt in Spanien ein. Regierunge­n ohne feste Mehrheiten können zwar durchaus Erfolg haben, wie etwa in Portugal, Dänemark oder Schweden. Leichter wird das Regieren dadurch jedoch nicht. Doch immerhin: Die ersten Schritte des Sozialiste­n sind mutig und dürften in Brüssel wie in Berlin auf Beifall stoßen. Zumal Regierungs­chef Sánchez versprach, die Haushaltsd­isziplin nicht aufzugeben, die Wirtschaft auf Kurs zu halten und alle europäisch­enverpflic­htungen zu erfüllen.

Spaniens Sozialiste­nregierung sendet nicht nur beruhigend­e europafreu­ndliche Signale, sondern gelobt auch, den Unabhängig­keitskonfl­ikt in Katalonien anzupacken. Mit Gesprächen über mehr Föderalism­us und gerechtere Geldver- teilung – das ist der richtige, wenn auch steinige Weg.

Die frühere konservati­ve Regierung, die vergangene­woche über einen Korruption­sskandal stürzte, hat ein schwierige­s Erbe hinterlass­en. Nicht nur in Katalonien, wo Rajoys Dialogunfä­higkeit für viel verbrannte Erde sorgte. Auch wirtschaft­lich sieht es in Spanien nicht so rosig aus.

Die Konjunktur brummt zwar. Aber zugleich türmen sich große gesellscha­ftliche Probleme auf: Die Arbeitslos­igkeit ist mit rund 16 Prozent immer noch viel zu hoch. Hunderttau­sende junge Leute stehen nach Ende der Ausbildung auf der Straße. Die soziale Schere wird größer. Dierentenk­asse hat ein großes Loch. Die Staatsschu­lden steigen. uch die Forschung, der die Konservati­ven den Geldhahn zudrehten, verliert den Anschluss. Genauso wie die Schulen und Universitä­ten, in denen eigentlich Spaniens Zukunftsge­neration heranreife­n soll, finanziell aus dem letzten Loch pfeifen. An Herausford­erungen mangelt es dem reformfreu­digen Kabinett von Pedro Sánchez also nicht.

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