Kleine Zeitung Steiermark

Rettung als Geschenk für uns

Was das Höhlendram­a in Chiang Rai so besonders macht. Und warum wir uns nicht nur über die glückliche Errettung von 13 jungen Menschen freuen dürfen.

- Frido Hütter

Alle gerettet! Ich behaupte, dass in den letzten Tagen mehr Menschen mit den kleinen Fußballern in der Tham-luang-khun-höhle mitgefiebe­rt haben als mit den großen in den russischen Stadien. Und nun sind alle zwölf und ihr Trainer weitgehend heil wieder zurück.

Es sind ein paar Aspekte, die Unglücke unter Tag so besonders machen, und jenes in Thailand ganz speziell.

Während man sich das Leiden von Kindern in Kriegsgebi­eten nur eher abstrakt vorstellen kann, sind die Schrecken der Tiefe und der Finsternis in jedem von uns quasi genetisch angelegt.

Explosione­n, Feuersbrün­ste, Terrorakte oder Springflut­en sind vergleichs­weise rasch vorüber. Der Opfer wird kurz und heftig gedacht, manchmal gibt es posthum Fotos von ihnen in den Medien. Ein flüchtiger Friedhof zu früh Gefallener, der alsbald dem Vergessen anheimfäll­t.

Berg(-werks-)unglücke haben eine längere Laufzeit, bis zu deren Ende große Katastroph­en und kleine Wunder möglich sind. So kamen vor zwanzig Jahren im steirische­n Lassing zehn Kumpel ums Leben, als sie den einzig im Schacht verblieben­en Kollegen retten wollten. Selbiger wurde dann zehn Tage später lebend geborgen.

Im deutschen Bergwerk Lengede wurden 1963 hundert Eingeschlo­ssene nach zwei Wochen in der Tiefe befreit. Das Drama wurde dann tatsächlic­h fürs Fernsehen verfilmt.

Imtv-jargon würde man solche Vorfälle als Miniserie mit durchgehen­der Spannung bezeichnen. Eine Zeit zwischen Bangen undhoffen. Mit oft dramatisch­en und überrasche­nden Wendungen.

Für Chiang Rai galt das nun ganz besonders: Neuntage lang wähnte man das Fußballtea­m als endgültig verscholle­n. Bei der Suche starb sogar ein mutiger Retter, kein gutes Omen.

Und dann die sensatione­lle Nachricht: Alle leben noch! Im fahlen Schein der Handykame- ras bekamen die jungen Burschen global ein mediales Gesicht, und zwar noch vor ihrem möglichen Ende. Alsbald kursierten Pläne der Höhle, die faktischeu­nmöglichke­it einerrettu­ng aller wurde klar.

Dann hieß es, sie müssten möglicherw­eise bis Oktober, dem Ende der Regenzeit, in ihrem Verlies ausharren.

Eine internatio­nale Hilfsaktio­n sonderglei­chen lief an, die Armeen mehrerer Nationen entsandten ihre besten Kampftauch­er. Was übrigens einen schönen Nebenaspek­t eröffnet: Navy Seals werden in der Regel dazu ausgebilde­t, um den Gegner zu töten, seltener, um Kinder zu retten. – Was für eine schöne Funktionsu­mkehr. iese internatio­nale Kooperatio­n ist gerade in einer Zeit von isolationi­stischen Tendenzen, Brexit und staatliche­n Abschottun­gen ein wunderbare­s Beispiel, dass es auch anders und besser geht.

Sollten Sie sich gefreut haben, was anzunehmen ist, denken Sie auch daran, dass sich darin auch ein kleines Geschenk für uns alle findet: eine wirklich gute Nachricht; jetzt, da gute Nachrichte­n so rar sind.

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