Der Tanz der sieben Unterröcke
Sind es deren sieben? Oder gar zwölf? Vielleicht aber eh nur zwei? Kein Unbefugter darf es lüften, dieses zentrale Geheimnis der Gailtaler Damentracht und mithin des Villacher Kirchtages, der abheute einewoche lang sein 75. Jubiläum feiert: Wie viele (mittels Zuckerwasser?) gestärkte Unterröcke legt die „saubere Gailtalerin“unter dem eigentlichen Rock und dem textilen Rausch der plissierten Schürzen an? Wer hat den Damen die bunten, seidenen Kopftücheln mitgebracht und woher stammen dieselben? Woher stammen die samtenen Jacken, die geblümten Gilets, die Stiefel, die verwegenen Hüte der Herren? Überhaupt, was ist denn das eigentlich, „unsere Volkstracht“?
Fragen über Fragen, doch umso befreiender, umso beglückender die Einsichten, die man gewinnt, wenn man sich, warum nicht jetzt, beim Villacher Kirchtag, nur auf das einlässt, was „Volkskultur“wirklich ausmacht: Da ziehen sie vor unseren Augen vorbei, die Trachtengruppen ausdemalten, demgrenzenlosen, demvielsprachigen mitteleuropäischen Kontinent, aus Krain, Friaul, Venetien, Ungarn, Triest, Kärnten, aus ganz Österreich, aber auch aus Deutschland, der Schweiz, aus Spanien, aus Mazedonien und wir stellen fest, dass jede Volkskultur das Erbe aller anderen Bevölkerungen Europas in sich trägt. Kommendiekopftücheln nicht aus dem Venezianischen, verrät die üppige Pracht der Dirndln nicht mediterranes, ja orientalisches Erbe, haben wir die Gilets und Kniehosen unserer Herrentrachten nicht von der Hoftracht von Versailles abgeschaut? Und wenn wir unsere Schützenkompanien martialisch aufmarschieren sehen, erinnern sie uns nicht an die abgelegten und übernommenen Uniformelemente napoleonischer Armeen? Übrigens, in illustriertenwerken zurvolkskultur Mitteleuropas so um 1900 erblicken wir Triesterherren in einer Kleidung, die deutlich an das Steirerg’wand gemahnt.
Der Villacher Kirchtag? Ein Ereignis, das ganz Europa bis hinein in den Orient umfasst. Volkskultur? Recht besehen ist sie die Quintessenz der Kulturen sämtlicher europäischer Bevölkerungen. Doch bleibt das Tabu: Wie viele Unterröcke verhüllen die „saubere Gailtalerin“?