Kleine Zeitung Steiermark

HOFSTETTER:

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Frau Hofstetter, Sie kritisiere­n seit Jahren, dass Technologi­egiganten wie Google oder Facebook Grundrecht­e ignorieren. Die EU hat jetzt über Google die Rekordstra­fe von 4,3 Milliarden verhängt wegen Missbrauch­s seiner Marktmacht. Ein spätes Erwachen der EU?

Nein, keineswegs. Daswurde seit Jahren geprüft. Aber die Mühlen der Gerichte und Behörden mahlen langsam. Die EU ist die einzige Institutio­n, die auf die Probleme aufmerksam macht und auch die entspreche­nden Möglichkei­ten hat. Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat beispielsw­eise gegenüber Uber definiert, was eine Plattform überhaupt bedeutet. Dass Uber also eintranspo­rtunterneh­men und nicht nur eine Plattform ist. Damit wird europäisch­es Gewerberec­ht oder das Steuerrech­t anwendbar, um das sich die großen Technologi­eanbieter immer herumgemog­elt haben.

Möglichkei­t, auf die digitale Überholspu­r zu kommen?

Das geht nicht mehr, diesen Wettbewerb werden wir verlieren. Wir können kein zweites oder drittes Silicon Valley mehr bauen. Das wäre tödlich, weil diese Unternehme­n mit derart hohen Finanzmitt­eln ausgestatt­et sind. Von Google, Facebook oder Amazon investiert jeder jährlich ein Entwicklun­gsbudget von 15 Milliarden Dollar. Es wäre auch eine völlige Überforder­ung der EU, ihr zu sagen: Jetzt regelt einmal schnell alles. Was sich im Silicon Valley entwickelt hat, dauerte 60 Jahre.

China hat Google aus dem Land geworfen und ein eigenes Google aufgebaut. Hätte Europa protektion­istischer vorgehen müssen, um sicherzust­ellen, dass neue Technologi­en mit den Grundwerte­n wie Schutz persönlich­er Daten in Einklang gebracht werden?

Die Chinesen habe ihre eigenen Werte in die digitalen Angebote eingebaut und das sind Werte, die uns nicht gefallen: Überwachun­g, Punktesyst­em, Zensur – das ist eine Manifestat­ion der Diktatur. Europa müsste Nischen suchen, in denen „gute“digitale Angebote machbar sind. Die Amerikaner sind schwach in der Qualität ihrer Software und bei der industriel­len Anwendung. Das können wir in Europa weit besser. Hier müsste nach Geschäftsm­odellen gesucht werden.

Die Grundsatzf­rage ist aber doch, wem Europa künftig die Gestaltung der systemrele­vanten digitalen Infrastruk­tur überlässt.

Diese Frage ist schon entschiede­n, weil Europa sich über Jahrzehnte auf die Amerikaner verlassen hat. Man hat gesagt: Na gut, wenn die USA Milliarde nach Milliarde in die digitale Entwicklun­g investiere­n, warum sollen wir Geld in die Hand nehmen? Amerika war als Ordnungsma­cht anerkannt, die digital führt, militärisc­h führt. Jetzt löst sich diese Ordnung auf und jetzt wird es haarig.

Eine fatale Europas?

Fehlentsch­eidung Meiner Meinung nach war es eine Fehlentsch­eidung. Wir haben in den letzten 20 Jahren jede digitale Kerntechno­logie aufgegeben und uns abhängig gemacht.

In Ihrem Bestseller „Das Ende der Demokratie“kritisiere­n Sie die Manipulati­onsmöglich­keiten der digitalenw­elt und orten einen Verlust der Wahrheit, weil Google & Co unser Wertesyste­m, unser Verhalten verändert. Der Datenskand­al der Analysefir­ma Cambridge Analytica, bei dem Informatio­nen von 87 Millionen Facebook-nutzern illegal erworben wurden, hat Sie nicht überrascht?

Nein, das hat mich natürlich nicht überrascht. Denn worum geht es? Digital bedeutet, dass wir uns vermessen, vernetzen. Das Vermessen beginnt mit unserem Internetve­rhalten, mit dem Umgang des Smartphone­s und all diese Datenwerde­nweitergel­eitet an Technologi­eunternehm­en und dort zu einem Profil verarbeite­t. Das Hauptgesch­äftsmodell dieser Unternehme­n ist, Profile zu erstellen,

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