Ästhetisches mit Köpfen, Händen und drei Farben
Das unverwechselbare, aber nach wie vor zu wenig bekanntewerk der Malerin und Grafikerin Florentina Pakosta in einer eindrucksvollen Retrospektive.
Mit
85 kann Florentina Pakosta auf ein umfangreiches Werk zurückblicken. Auf Ausstellungen in wichtigen Museen, auf durchaus gewichtige Publikationen. Dennoch ist diewienerin selbst in ihrem Heimatland immer noch eine Art Geheimtipp. Dass die Albertina der Künstlerin nach 1984 und 2003 erneut eine große Schau widmet, ist nicht zuletzt deshalb höchst erfreulich. Die Werkauswahl aus fünf Jahrzehnten konturiert die Schöpferin eines ebenso markanten wie konsequenten Oeuvres, das auf den ersten Blick zwei konträre Seiten hat: Schwarz-weiß/gegenständlich, farbig/abstrakt. Die Polarität ist scheinbar, wie auch Ernst Jandl in einem Brief an Pakosta erkannte: „Ihre trikoloren Bilder (...) kommenunerwartet, jedoch in Ihrem Werk nicht unvorbereitet.“
Für Pakosta selbst sind hier wie dort zwei Elemente wesentlich: Emotion und Struktur. Die „Frage der Abstraktion als Gegensatz der Gegenständlichkeit“habe folgerichtig „ausgedient“. In jedem Fall sieht die an derwiener Akademie der bildenden Künsteausgebildete ihre Bilder an politische und gesellschaftliche Wirklichkeiten gebunden, von diesen zumindest inspiriert.
Ist es im Frühwerk die Realität des Nachkriegs-österreichs mit ihren patriarchalen Mechanismen (Pakosta ist die einzige Frau in der Akademieklasse von Josef Dobrowsky), kommen ab 1989 starke Impulse aus den Umbrüchen in Europa: „Unmögliches wurde wahr. Ein neues, bisher unbekanntes Lebensgefühl setzte sich durch.“Und: „Die bisher vertraute Form meiner Bilder und Zeichnungen reichte nicht aus, die emotionalen Strukturen zu vermitteln.“
Die vertraute Form – das sind beeindruckende, oft großformatige Zeichnungen und Druckgrafiken. Darstellungen von meist männlichen Köpfen, eine umfangreiche Serie als Auseinandersetzung mit den „Charakterköpfen“des Barockbildhauers Franz Xaver Messerschmidt. Darstellungen von Händen, die ihrerseits zu individuellen Charakteren werden. Bilder männlicher Genitalien. Aber auch Bilder fantastisch-satirischen Inhalts, gesellschaftskritische Befunde von oftmals dunklem Humor, bedrohlichem Witz. Die Raster- und Schablonentechnik, welche Pakosta in den Werkblöcken einsetzt, ist zweifellos eine Vorbereitung auf die farbigen Bilder, welche Jandl als „unerwartet“, aber „nicht unvorbereitet“empfindet.
Ihre „Trikolore Bilder“, meist mit Acryl auf Leinwand realisiert, erzählen keine Geschichten. Ihre Schöpferin gibt aber mit Bildtiteln wie „Zusammenbruch der Ostblockstaaten“oder „Balkankrieg“, Hinweise.
Nicht zuletzt ermöglichen ihre Arbeiten ein ästhetisches Vergnügen ersten Ranges. Die sichtbaren Oberflächen sind eine Qualität für sich, die Substanz dahinter macht die Arbeiten zu einem unverwechselbaren und einem der bedeutendsten Beiträge zur österreichischen Gegenwartskunst.
Walter Titz Florentina Pakosta. Bis 26. 8. in der Albertina Wien. albertina.at BILDRECHT WIEN (2), LISA RASTL