Die Insel der „großen Götter“
Zwei Mal täglich bringt die „Saos2“ihre Passagiere in zweieinhalbstündiger Fahrt von der Hafenstadt Alexandroupoli im äußersten Osten Griechenlands zur Insel Samothraki. Nach dem Anlegen setzt das übliche Entladungschaos ein, doch schon eine halbe Stunde später umfängt den Inselgast eine magische Anziehung. Heute ist Samothraki ein stilles Eiland, doch vor 2700 Jahren herrschte hier reges Treiben.
Schon damals kamen die Menschen auf die Insel, um das Magische zu spüren. Sie suchten den direkten Kontakt zu den Göttern. Dabei entstand ein Heiligtum voller Geheimnisse, von dem heute nur mehr Teile zu sehen sind. Wie Inselbewohnerin Chrisula Papoutsis in perfektem Deutsch (sie hat einige Jahre in Feldkirch ein Café betrieben) berichtet, graben heute USamerikanische Geologen im Auftrag der Universität von Athen nach weiteren Zeugen der damaligen Gottesverehrung.
Bei einem Spaziergang über die gepflasterten Wege kann man sich vorstellen, wie vor mehr als 2000 Jahrenmenschen aus allen Teilen der griechischen Welt zum Heiligtum pilgerten, schwer beladen mit Wünschen und Hoffnungen. Wer genau in dem Tempel am „Mondberg“angebetetwurde, konnte bis heute nicht im Detail erforscht werden, deshalb spricht die Geschichtsschreibung von den „großen Göttern“.
Berühmtestes Zeugnis dieser Gottesverehrung ist die „Nike von Samothrake“, die heute zu den berühmtestenausstellungsstücken des Pariser Louvre zählt. Eine Gipskopie kann man im archäologischen Museum am Rande des Ausgrabungsfeldes bewundern.
Georgios Panagopoulos, der Abgesandte des thrakischen Tourismusverbandes, empfiehlt eine Wanderung entlang des „Mörderbaches“, wenige Kilometer von der Ausgrabungsstätte entfernt. Einige Passagen sind nur schwer zu überwinden. Daraus resultiert wohl der wenig schmeichelhafte Name.
Aber die Mühe beim Kraxeln lohnt sich: Mandurchquert eine beinahe unberührte Landschaft. Knorrige alte Platanen, einige von Blitzen getroffen und deformiert, lassen einen eher schaurigen Märchenwald entstehen. Erfrischung am Wegesrand bieten von Wasserfällen gespeiste natürliche Wasserbassins, in den Alpen auch „Gumpen“genannt.
Samothraki im nördlichsten Teil der Ägäis offenbart sich dem Besucher heute als stille Insel. Vor 2700 Jahren herrschte hier reges Pilgerleben.