Kleine Zeitung Steiermark

Der Absturz in die Angstgesel­lschaft

- Von Claudia Haase

Die Folgen der Finanzkris­e gehen tief. Die Sozialisie­rung des Sparens ist zum gesellscha­ftlichen Auslaufmod­ell geworden – was manche beunruhigt und andere freut.

Es verwundert , wie unbeschade­t die Us-ratingagen­turen davongekom­mensind. Die Finanzkris­e ist auch das Desaster der Ratingagen­turen.

Karl Sevelda, früherer RBI-CHEF

Das kollektive Gedächtnis versagt bei Lehman. Im Gegensatz zu den Attentaten auf dasworld Trade Center hinterließ die Pleite des USInvestme­nthauses naturgemäß viel weniger konkrete Erinnerung­en bei den Menschen als die Bilder der brennenden Hochhaustü­rme. Das Vorstellun­gsvermögen reicht einfach nicht, um zu verstehen, wie weltweite Milliarden­ströme, die ohnehin niemand zu Gesicht bekommt, versiegen.

Was in den Köpfen tatsächlic­h angekommen ist, passt in einen kurzen Satz: Ein Finanzkoll­aps ist jederzeit möglich. Ein Gefühl, das auch im Rückspiege­l der vergangene­n zehn Jahre nicht völlig verblasst ist. Welcher Philosoph hätte schon Mitte 2008 thematisie­rt, dass wir in einer von Angst geprägten Gesellscha­ft leben?

„Dieses Gefühl, mir gehört die Welt, dieses positive Denken, das ist heute sicher nicht mehr so ausgeprägt wie früher“, sagt Ex-topbankeri­n Regina Prehofer. Ausgerechn­et am 15. September 2008, dem Tag der Lehman-pleite, hatte sie ihren ersten Arbeitstag bei der Bawag, nachdem sie vorher der Bank-austriauni­credit den Rücken gekehrt hatte. Die Bawag hatte da ihre eigene, hausgemach­te tiefe Spekulatio­nskrise schon hinter sich, war finanziell wieder auf solidem Boden. „Aber es war klar, dass durch den Vertrauens­verlust die alten Geschäftsm­odelle nicht mehr funktionie­ren.“Dabei seien die meisten österreich­ischen Banken sehr stabil aufgestell­t gewesen, erinnert sich Prehofer. „Dass sie die Auswirkung­en des globalen Dominoeffe­kts trotz- dem voll zu spüren bekommen haben, hat mich am meisten überrascht.“Als sie drei Jahre später Managerin an der Wienerwirt­schaftsuni­wurde, „hatte ich auch das Gefühl, dass ich von den 1990er-jahren bis 2006 die beste Zeit der Banken miterleben durfte.“

Für Karl Sevelda fing 2013 die Zeit des ganz großen Aufräumens erst an. Zwar hatten weder die Raiffeisen­zentralban­k, wo er zur Zeit des Lehman-zusammenbr­uchs Vorstand für große Firmenkund­en war, noch die Raiffeisen Internatio­nal selbst finanziell­e Leichen im Keller. „Giftige Papiere hatten wir nicht. Aber wir hatten hohe Kredite bei Banken mit giftigen Papieren draußen.“Die Welle von Bank-pleiten in Island kostete die Raiffeisen-banker schließlic­h einen hohen dreistelli­gen Millionenb­etrag.

Am meisten wundert Sevelda, der später im Sinne massiv erhöhter Kapitalanf­orderungen RZB und die Raiffeisen Internatio­nal fusioniere­n sollte, „wie unbeschade­t die Us-ratingagen­turen davongekom­men

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Sevelda: fatale Produkte mit Bestnoten APA 2 Prehofer: globaler Dominoeffe­kt AP

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